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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 —
geeignet. Das vorhergehende Trocknen ist sehr wichtig für diese Hölzer, weil wasserhaltiges Holz viel
schwerer und dabei weniger bruchfest ist. Durch Lackiren kann sodann das Holz gegen nachträgliche
Wasser-Aufnahme geschützt werden. Das von mir verwendete Holz ist auf der Kehlleisten-Fabrik bei ca. (50° C
gedörrt, freilich in so grossen Massen, dass wohl nicht alle Theile diese Temperatur angenommen haben.
Will man ohne Vorbereitung Hölzer haben, die direkt oder nach entsprechender Bearbeitung mit Hobel
etc. für Drachenhau geeignet sind, so kann man Rouleaux-Leisten nehmen, die in jedem Hausstandsgeschäft
in verschiedenen Stärken vorräthig oder doch schnell zu beschaffen sind. Auch diese stammen, so viel mir
bekannt, in Hamburg von schwedischem Fichtenholz. Man kann ohne Schwierigkeit geeignete, astfreie leichte
und geradfaserige Stücke auswählen.
Die Biegung und der darauf folgende Bruch sind zusammengesetzte Erscheinungen; denn auf der
konkaven Seite des Stabes findet Zusammendrückung, auf der konvexen aber Zug resp. Zerreissung statt.
Dazwischen liegt ein neutrales Band, das weder gereckt noch verkürzt wird. Die Form des Querschnitts
ist daher von grossem Einfluss auf die Biegungsfestigkeit; letztere ist um so grösser, je grösser der mittlere
Abstand der Massentheilclien des Stabes vom neutralen Bande, oder sein sog. Trägheits-Querschnitt ist.
Hohle Balken tragen deshalb viel mehr, als solide von gleichem Gewicht. Eben so viel, wie der hohle
Balken a, Fig. 49, trägt die Doppel-T-Form b derselben Figur, falls der Druck immer nur in der Richtung
des Pfeils erfolgt. Da aber hei vielen Materialien der Widerstand gegen Zerreissen ein anderer ist, als
gegen Zerdrücken, so ist es häufig nicht zweckmässig, die konvex und die konkav werdende Seite gleich zu
gestalten. Bei Holz ist der erstere Widerstand etwa doppelt so gross, als der letztere, und ist es daher
zweckmässig, die beim Druck konkav werdende Seite breiter zu nehmen, etwa die T-Form c zu wählen;
hei Gusseisen ist es umgekehrt und muss die konvexe Seite breiter genommen, resp. das T umgekehrt
werden. Hat der Stab Drucke aus verschiedenen Richtungen auszuhalten, wie z. B. die Stäbe eines Drachens
bei gelegentlichem Aufstossen auf dem Boden, dann geben hohle Formen die günstigsten Bedingungen; auch
gegen Torsion bieten diese den grössten Widerstand. Bambus hat wegen seiner Leichtigkeit und Festigkeit
grosse Verwendung beim Bau von Drachen und Flugmaschinen gefunden. Bestimmungen über seine Bruch
festigkeit und sein spezifisches Gewicht habe ich leider nirgends finden können; Versuche darüber können
natürlich wegen der unregelmässigen Gestalt dieser Röhren keine ganz exakten Ergebnisse liefern, wären
aber doch praktisch recht werthvoll. Am zweckmässigsten wären dieselben, statt auf den Querschnitt, auf
das Gewicht der betr. Stäbe zu beziehen. In der Verwendbarkeit steht der Bambus durch seine fast unab
änderlich gegebene Form, seine äussere Glätte, seine Knoten und seine konische Gestalt für viele Zwecke
hinter dem Holz weit zurück. Feste Verbindungen lassen sich an Bambus viel schwieriger lierstellen, und
bei seiner Verwendung zu Querstöcken ist eine unveränderliche Symmetrie zwischen der rechten und linken
Seite des Drachens kaum zu erreichen. Von den verschiedenen Bambus-Sorten ist der sog. Tonking-Bambus
wegen seiner fast zylindrischen Form, seiner langen Internodien und auch wohl seiner grösseren Bruch
festigkeit dem gewöhnlichen vorzuziehen und für Längsstöcke, wo auch seine grössere Biegsamkeit nicht so
schädlich ist, wie bei Querstöcken, manchmal dem Holze vorzuziehen. Insbesondere verträgt er unsanfte
Berührungen mit dem Erdboden viel besser, als dieses.
Biegsamkeit ist, wie gesagt, keine erwünschte Eigenschaft für das Material der Drachengestelle, die
vielmehr ihre Form auch unter starkem Winddruck möglichst unverändert behalten müssen, um stabil zu
bleiben. Elastische Deformationen, die ja fast nie rechts und links ganz gleich sein werden, sind sogar das
unerwünschteste, weil sie beim Fortfall des Drucks wieder verschwinden und man dann vergebens nach der
Ursache des schlechten Fliegens sucht, der man abhelfen könnte.
Neben Bruchfestigkeit und Steifigkeit ist für das Gestell sein Verhältniss zum Luft-Widerstand das
wichtigste. Für diejenigen Stücke, die nicht selbst Theile der tragenden Fläche bilden, ist thunlicliste Ver
ringerung des Luft-Widerstandes wünsclienswerth. Zu diesem Beliufe ist ihr Querschnitt linsen- oder schiff-
bezw. fischförmig zu machen; auf dem Blue Hill verwendet man, einer Empfehlung von Chanute*) folgend,
Stöcke von ei- oder fischförmigem Querschnitt, bei denen die grösste Dicke */# von der einen, 2 /j von der
anderen Kante absteht.
Fig. 50 zeigt bei a diese Form. Der Querschnitt b wird — ausschliesslich seiner Festigkeit im Verhältniss
zum Gewicht wegen — von Herrn Teisserenc de Bort bei seinen Hargrave-Drachen für einen Theil der
*) Vergl. dazu Chanute’s Aufsatz in den „Illnstr. Aeronaut. Mittheilungen“, April 1899, S. 43.