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Full text: 24, 1901

W. Koppen: Erforschung der freien Atmosphäre mit Hülfe von Drachen. 
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Ebene unabhängig von der Schwerkraft, so würde eine durch Leine und Windrichtung gelegte Ebene be 
liebige Neigung zum Horizont annehmen können. Denken wir uns z. B. statt der Leine einen starren 
Stab, au dessen Ende der Drache in unveränderlicher Stellung sitzt, während der Haltepunkt der Leine 
am Erdboden durch ein Gelenk ersetzt ist, in welchem der Stab frei beweglich ist und über welches hinaus 
er behufs Anbringung eines Gegengewichts verlängert ist, so dass er sich der Schwerkraft gegenüber in in 
differentem Gleichgewicht befindet. Möge die Stellung des Drachens zu diesem Träger eine solche sein, 
dass sie einen Winkel von 00° zwischen diesem und der Windrichtung erzeugt, so wird der Apparat im 
Gleichgewicht sein, ob nun die Ebene dieses Winkels vertikal oder horizontal oder schief liege, wenn nur 
der Stab im Mantel eines Kegels liegt, dessen Scheitelwinkel 120° beträgt und dessen Axe mit. der Wind 
richtung zusammenfällt.*) Bedingung ist nur, dass sowohl Anheftung als Druckmittelpunkt der schrägen 
Scheibe, die den Drachen vorstellt, in deren vorderem, vom Winde zuerst getroffenen Theile liegen. Anders 
aber, wenn diese Scheibe um das Ende des Stabes drehbar und durch die Lage ihres Schwerpunktes zur 
Schwerkraft orientirt ist; bringen wir nun den Stab in horizontale Lage, so richtet der Drache seinen Kopf 
nach oben, der Winddruck an ihm erhält eine vertikale Komponente und bringt ihn zum Steigen, bis der 
Träger-Stab in einer vertikalen Ebene liegt. Nur so lange der Drache mit dem Kopf zur Seite liegt, ist 
ein Hinausfliegen aus der durch die Windrichtung und den unteren Haltepunkt der Leine gehenden Vertikal- 
ebene möglich; andernfalls wird der Drache wegen seiner symmetrischen Form vom Winde möglichst weit 
nach Lee und also in die genannte Vertikalebene gedrängt, in der er zugleich seine grösste Höhe erreicht. 
In Fig. 8 stelle ab den Längsschnitt einer ebenen idealen Drachenfläche ohne Rumpfwiderstand dar, 
um die Beziehungen der drei Kräfte W\, G und L zu veranschaulichen. Der Angriffspunpt von G ist im 
Schwerpunkt des Drachens. Jener von T'F| befindet sich, wenn die Länge des Drachens ab als n bezeichnet 
wird, in der Entfernung d vom vorderen Rande; dann gilt, wenn i der Winkel ist, den die Platte mit dem 
Winde bildet, nach Joessel die Gleichung: d = n (0.2+0.3 sin i), und nach Lord Rayleigh die Gleichung 
d = n\ 0.5— 3 U , , C ° S 1 —-1 ) nach Samuelsou aber einfach allgemein d = V 3 n. Joessels Formel ergiebt 
\ simj ° 
diesen letzteren Werth bei i = 26°, einer Grösse, die dem mittleren Winkel bei Drachen (20°— 25°) nahe 
ist; Lord Rayleigh’s Formel ergiebt allerdings bei diesem Winkel d grösser, zu 0.37«, und erst bei viel 
kleinerem Winkel d = ’/3 n - Pur Annäherungszwecke genügt die Annahme d — */3«, bei rechteckigem 
Umriss des Drachens, um so mehr, als eine genaue Berechnung wegen der Einwölbung der Flächen im 
Winde und sonstigen Abweichungen in der Form nicht möglich ist. Sind dagegen die Seiten des Drachens 
(wie z. B. beim Malay-Drachen) nicht parallel, so müsste die Fläche in (event. unendlich viele) Längsstreifen 
zerlegt werden und aus allen diesen Druckpunkten das gemeinsame Druckzentrum abgeleitet werden. 
Sind die Kräfte W und G nach Grösse und Angriffspunkt so, wie sie in der Figur angegeben sind, so 
muss auch der Zug der Leine L die Grösse und Lage haben, wie in der Figur. Die Bucht des Drachens 
kann zwar dabei sehr verschieden gestaltet werden, ihre Zweige müssen aber in einen Punkt der Linie L 
zusammenlaufen und die einfache Leine muss in diese Linie fallen. Nun zeigt aber die Erfahrung, dass 
dieselben Drachen auch stabil, nur unter kleinerem Höhenwinkel und mit geringerem Zug, zu fliegen ver 
mögen, wenn die Leine viel weiter vorne, eventuell am vorderen Rande selbst, angebracht ist. Der Zug 
beträgt dann bei massigem Winde nur etwa so viel, wie das Gewicht des Drachens, und steigt auch bei 
stürmischem nicht viel höher, weil der Drache bei Zunahme des Windes sich immer mehr horizontal legt 
und blos die Kraft IF 2 , die gegen W t unter gewöhnlichen Umständen sehr klein ist, mit der Windstärke 
weiter wächst. Fig. 9 zeigt die Vertheilung der Kräfte unter diesen Umständen. Die Drachenfläche ab 
nehmen wir unter einem Winkel von 6° zum Horizont geneigt an. Die Grösse und der Angriffspunkt der 
Kräfte G und L sind durch Beobachtung gegeben; aus ihnen ergiebt die Konstruktion auch den Winddruck W. 
Der Angriffspunkt desselben liegt jetzt offenbar weiter vorn, als unter den auf Fig. 8 dargestellten normalen 
Verhältnissen. Denn würde er auch jetzt l / 3 der Fläche vor sich haben, so würde er dem Schwerpunkt des 
Drachenkörpers näher sein, als der Fesselungsstelle; selbst wenn dieser Schwerpunkt mit dem Flächen 
schwerpunkt zusammenfiele, und nicht, wie in den meisten modernen Drachen, durch kräftigere Ausführung 
des Vordertheiles aus diesem nach vorn verschoben wäre. Dann müsste aber in Zeiten des Gleichgewichts 
der Zug an der Leine L kleiner sein, als das Gewicht G des Drachens, w T as wohl nur ausnahmsweise der 
*) Diese nehmen wir in diesen Betrachtungen als geradlinig und überall gleich an. 
Archiv 1901. 1.
	        
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