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Full text: 24, 1901

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 — 
von einem Dampfer sich unschwer machen lassen und dass die Drachen durch Kursveränderungen gut in 
der Luft gehalten werden können. „Hierdurch“, heisst es in dem Bericht, der aus der Feder von Dr. Otto 
Petterson stammt, „eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Meteorologie, weil das Verhalten der höheren 
Luftschichten über den Ozeanen, welches bisher unbekannt und der Beobachtung unzugänglich geblieben ist, 
mit Leichtigkeit bei den vereinbarten internationalen ozeanographischen Beisen untersucht werden kann“. 
Ist bei diesem Versuch, soviel bekannt zum ersten Male, gezeigt worden, dass sich mit Vortheil der 
Kurs eines Schiffes einem Drachenaufstieg anpassen lässt, so ist der Nachweis, dass sich vom Schiff aus 
in der Tliat ein Meteorograph mittels Drachen in grosse Höhen bequem heben lässt, noch neuer. Am 
22. August 1901 hat Mr. Rotch, begleitet von seinen Assistenten Fergusson und Sweetland, auf einem 
Schleppdampfer, auf dessen Deck ein Haspel mit 1100 m Draht aufgestellt war, vom Hafen von Boston aus 
eine eintägige Fahrt aufs Meer unternommen und auf dieser mittels dreier Hargrave-Drachen von zusammen 
ca. 8 qm Tragfläche den Meteorograph am Vormittag auf 800 und in einem zweiten Aufstieg am Nachmittag 
auf 815 m gehoben. Der natürliche Wind betrug nur 2.7 bis 5.0 m pro Sek. und war viel zu schwach, um 
Drachen und Apparat zu heben, aber durch Andampfen gegen den Wind wurde der relative Wind auf 6.3 
bis 8.5 m pro Sek. gesteigert; in diesem künstlichen Winde konnten die Drachen ohne die geringste Gefahr 
für Drachen und Instrument aufgelassen ■'und auch bis in die Hand eingeholt werden. Sobald aber der 
Dampfer um etwa 4 Strich von der Windrichtung abwich, begannen die Drachen zu fallen. 
In dem Wunsche, festzustellen, ob sich auch von einem auf festem Kurse befindlichen Dampfer meteo 
rologische Drachenaufstiege machen lassen, ist Herr Rotch, in Begleitung von Herrn Sweetland, am 28. Aug. 
auf einem Dampfer der Dominion Line nach England abgereist; auf dem Achterdeck war derselbe Apparat 
installirt. Leichte östliche Winde herrschten vor, welche, verbunden mit der 15 Knoten — 7.7 m pro Sek. 
betragenden Fahrt des Schiffes an 5 Tagen Aufstiege zu machen gestatteten; nur an B Tagen war der Wind 
zu flau (von hinten) oder zu stark (von vorn), um einen Aufstieg riskiren zu können; hätte aber der Kurs 
geändert werden können, so hätte täglich ein Aufstieg gemacht werden können. Gute Aufzeichnungen über 
Luftdruck, Temperatur, Feuchtigkeit und Windgeschwindigkeit wurden gewonnen; an einem der Tage wurde, 
überraschend für den Ozean, eine Temperatur-Umkehr von fast 2° C. auf 100 m festgestellt. Die obigen 
Angaben verdanke ich einer gefälligen brieflichen Mittheilung von Mr. Rotch.*) 
Muss man dagegen auf dem festen Lande bleiben, so ist ein Platz zu suchen, der nach Thunlichkeit 
eine freie, dem Winde ausgesetzte und vom Verkehr, insbesondere von elektrischen Bahnen nicht behinderte 
Lage mit leichter Zugänglichkeit und enger Verknüpfung mit einem wissenschaftlichen Institute verbindet.* **) 
Diese Forderungen sind nicht leicht mit einander in Einklang zu setzen; in der Regel wird ein Platz an 
der äussersten Peripherie des Strassenbahnnetzes einer grossen Stadt, an der von den herrschenden Winden 
abgewandten — in Mittel-Europa also östlichen — Seite derselben das beste Erreichbare sein. Eine ein 
zige elektrische Bahnlinie in nächster Nähe lässt sich mit massigen Kosten mit Schutzvorrichtung versehen 
und bietet, wenn sie auf der Westseite des Platzes liegt, geringe Wahrscheinlichkeit für eine Berührung des 
Drachendrahtes mit der Starkstromleitung; wenn aber der Platz, wie der jetzige Drachenplatz der Seewarte, 
von einem vielfachen Ringe elektrischer Bahnen umkreist ist, so ist ein solcher Schutz undurchführbar.!) 
Natürlich ist eine möglichst freie Lage des Platzes anzustreben, Bäume, Gebäude, Telephonleitungen, 
Hecken und Gräben, Stacheldrähte oder unbetretbare Plätze in der Nähe desselben sind immer wiederkeh 
rende Quellen von Verdruss und Zeitverlust. Als eigentlicher, zur Verfügung stehender Drachenplatz ist 
ein ziemlich ebenes, von Bäumen und fremden Gebäuden ganz freies Quadrat oder Polygon von mindestens 
200 m Breite und Länge anzustreben, in dessen westlichem Theile die drehbare etwa 2.1X2.1X2.5m messende 
Bude den Haspel enthält.ff) Ist ihre Entfernung vom Westrande des Landstückes etwa 80 m, so wird bei 
Sl ) Soeben ist ein illustrirter Bericht von Mr. Rotch über diese Versuche im Quart. Journal of the R. Meteor. Soc., 
Januar 1902, erschienen. 
**) Man könnte zwar, wo sich diese Forderungen nicht vereinigen lassen, den Haspel auf ein Automobil setzen und 
damit zu passenden Plätzen hinausfahren; allein schon das grosse Volum der Drachen macht diese Betriebsart schwierig. 
f) Der Schutz kann entweder, wie in Hamburg unter Telephondrähten, aus einer auf die Starkstromleitung gebundenen 
nicht leitenden Decke, oder wie in Berlin, auf Antrag des Preuss. Meteorologischen Instituts, theilweise eingeführt ist, aus 
einem oder zwei neben der Leitung herlaufenden, zur Erde abgeleiteten Drähten bestehen. Fällt der Drachendraht über 
die Leitung, so berührt er zugleich den letzteren Draht und schmilzt zwischen beiden ab. 
ff) Ueber die Einrichtung dieser, auf einer Kreisschiene stehenden Bude vgl, den Abschnitt (!.
	        
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