W. Koppen: Erforschung der freien Atmosphäre mit Hülfe von Drachen.
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sehr selten, und in leichten veränderlichen Winden, wie sie namentlich im Innern der Festländer so sein-
häufig sind, arbeitet der Drachenballon, nach mündlichen Mittheilungen, auf dem Berliner aeronautischen
Observatorium bis zu Höhen von 1500 oder 2000 m jetzt sehr zufriedenstellend.
Bei der Kostspieligkeit des Drachenballon-Betriebes kommt ein anderer Weg sehr in Betracht, der
noch nicht angewandt worden ist, und der zwar nicht für alle Fälle, aber doch für jene Mehrzahl, in denen
über der unteren Windstille in 100 bis 300 m über dem Boden ein Wind von mehr als 5 m pro Sek. weht,
die Möglichkeit eines Aufstiegs über 1000 m Höhe, oder auch weiter bis in grosse Höhen gewährt. Oben
ist schon der von mir nicht ohne Erfolg gemachte Versuch erwähnt, den Instrumenten-Drachen mittels eines
leichten Malay-Drachens in der Weise in die freie Luftströmung hinauszuschleppen, dass der erstere sich,
sobald er Wind bekommt, aus dem Haken, in dem er hängt, herauslöst und selbstständig weitersteigt,
während der Malay-Drachen eingezogen werden kann — in ganz ähnlicher Weise, wie der Bugsierdampfer
das Segelschiff ins offene Meer hinausschleppt. — Zu einem solchen Schlepperdienst nun kann man auch
einen Fesselballon verwenden, und zwar, da er nur bei Windstille und bis zur geringen Höhe zu dienen
hat, genügt ein leichter kugelförmiger Ballon von etwa 2 V 2 m Durchmesser, während der Drachenballon der
Aeronautischen Abtheilung zwar denselben Durchmesser, dahei aber 9-/3 m Länge besitzt, und seine Dichte
ausreichen muss, um ihn eine Reihe von Stunden in kräftigem Winde stehen zu lassen, wenn er seiner Auf
gabe genügen soll. An einer Anzahl von Tagen wird zwar auch in 300 m Höhe kein genügender Wind zu
finden sein und das Weiterkommen mit Drachen nicht möglich sein; aber auch dann wird der Versuch
nicht ganz vergeblich gewesen sein, weil der Meteorograph uns wenigstens Aufzeichnungen aus der Höhe
des Eiffelthurms aus der freien Atmosphäre herabbringen wird, und wie werthvoll auch solche sind, haben
eben die Ergebnisse des Eiffelthurmes gezeigt.
Ein dritter Weg wäre, an solchen Tagen, wo keine Drachen steigen können, den Registrir-Apparat au
einem „ballon sonde“ emporzusenden. Die Erfahrungen von Herrn Teisserenc de Bort und die grosse Ver
vollkommnung, welche diese kleinen Ballons neuerdings durch Herrn Assmann erhalten haben — geschlossene
Gummiballons, nach deren Platzen oder schneller Entleerung das Instrument durch einen Fallschirm herab
getragen wird — machen diesen Betrieb so einfach, sowie vergleichsweise billig und sicher, dass seine aus
gedehntere Verwendung zu erwarten ist. Auf diesen Gegenstand, der in Trappes und in Berlin-Tegel
erfolgreiche Pflege erhalten hat, kann ich hier, in Ermangelung eigener Erfahrungen, nicht näher ein-
gehen und nur die Hoffnung aussprechen, dass der jetzige Standpunkt der Frage recht bald von berufener
Seite eine Darstellung finde.
Oertlichkeit, Ausstattung und Kosten einer Drachenstation. Der günstigste Raum für
Drachenaufstiege ist wohl ein Landsee von genügender Grösse in nur flach hügeliger Landschaft, an dessen
Ufer die feste Station angelegt ist, während die Aufstiege von einem Motorboot stattfinden, das gross genug
ist, um den zu einem Aufstieg nöthigen Drachenvorrath mitzunehmen, und schnell genug, um die Drachen
mittels der eigenen Fahrt durch windstille Luftschichten hindurch zu heben. Genügt der Wind, um von
festliegendem Schiff die Drachen steigen zu machen, so kann der Aufstieg, je nachdem wohin das Schiff
gelegt wird, über Land oder Wasser stattfinden. Ist der Verkehr auf dem See nicht gross, so sind auch
die Gefahren für Draht und Drachen gering, wenigstens viel geringer, als auf dem Lande.
Auch auf dem Ozean sind, namentlich im Passat, die Bedingungen für den Drachenbetrieb, so weit
sich dies bei dem Mangel aller Erfahrung übersehen lässt, sehr günstig; zum Vergnügen vom Schiff auf
gelassene Drachen stehen in der That im Passat, selbst auf Segelschiffen, tagelang; die Nothwendigkeit eines
grossen Schiffes lässt aber nicht erwarten, dass ein solcher Betrieb hier anders als in Verbindung mit
anderen Zwecken zu Stande kommen werde. Die deutsche und die britische Südpolar-Expedition werden die
ersten Expeditionen sein, die meteorologische Drachenversuche von Bord ausführen, und werden damit hoffent
lich die ersten Grundsteine zu einer Kenntniss der vertikalen Vertheilung der Temperatur und der Luftfeuch
tigkeit über dem Ozean legen. Der Wunsch nach solchen Drachenversuchen von Schiffen ist aber bereits im
Jabre 1899 auf dem hydrographischen Kongresse in Stockholm ausgesprochen worden, und auf der späteren
privaten Zusammenkunft von Ozeanographen in Gothenburg im November 1900 ist auch eine Probe in dieser
Richtung mit Erfolg gemacht worden. Aus einem Bericht im Stockholmer „Aftonbladet“, den ich der Ge
fälligkeit des Herrn Prof. Dr. Krümmel verdanke, geht hervor, dass am 21. November das Kanonenboot
„Svensksund“ mit den Tlieilnehmern hinausgefahren ist und der Versuch gezeigt hat, dass Drachenaufstiege