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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 —
Bude sitzt, die Wahrscheinlichkeit einer Kollision sehr gering. Befinden sich die Instrumente in den Drachen,
so muss nach diesem Schema der untere Drache alle zwei Stunden zum Erdboden herabkommen, wenn man
Aufzeichnungen bis zum Erdboden herab haben will.
C. Eine dritte Methode, die ich ebenfalls wohl im kleinen mit Schnur versucht habe, aber nicht im
grossen mit Draht, besteht darin, dass der Drache nicht direkt seine Leine, sondern eine Rolle zieht, über
die die Leine geht. Dann legt jeder Punkt der Leine einen doppelt so langen Weg zurück, wie der Drache,
hat aber auch nur den halben Zug des Drachens auszuhalten; ihr Aufwinden verlangt also nur die halbe Kraft
anstrengung. Bringt man nun die Rolle etwa 100 m vom Drachen an und befestigt einen Meteorograph an
der Leine, wenn von dieser 1000 m ausgelassen sind, so legt beim weiteren Auslassen dieses Instrument einen
doppelt so grossen Weg zurück, wie der Drache, und sein Abstand vom letzteren nimmt von 1100 m auf
100 m ab. Vor diesem Termin muss rechtzeitig mit dem Auslassen aufgehört werden, da die Leine ver-
muthlich reisseu würde, wenn das Instrument bezw. seine Klemme die Rolle berührt. Beim Verlassen bezw.
Wiedererreichen des Bodens durch den Meteorograph ist also der Drache 600 m von der Winde entfernt
und man kann das Instrument wieder hinaufschicken, ohne das Risiko einer Landung des Drachens. Vergl.
Figur 89 C.
Die drei Methoden A., B. und C. lassen sich auch, wie man leicht einsieht, zu einer komplexen Me
thode verbinden.
Wie oft bieten sich die für Drachenaufstief/e geeigneten Windstärken im Klima von
Hamburg dar? Im Passat, wo ein massiger Wind gleichförmig Tag für Tag weht, sind die idealen Ver
hältnisse für Drachenaufstiege gegeben. In unseren Breiten, wo Windstillen und steife Briesen in mannig
faltigster, oft fast plötzlicher Weise wechseln, hat man, wenn man mit seinem Haspel an einen festen Ort
gebannt ist, wie dies auf dem Eestlande stets der Fall ist, ein grosses Maass von Geduld nötliig, um die
vorübergehenden günstigen Gelegenheiten gut auszunutzen. Um einen Begriff davon zu erhalten, wie oft
hier Drachenaufstiege überhaupt möglich sind und welche Hülfsmittel dabei eine überwiegende Rolle spielen,
habe ich aus den Hamburger Anemometer-Aufzeichnungen der sechs Jahre 1894—99 die Tage ausgezählt,
die gewissen, gleich zu definirenden Ansprüchen entsprechen.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein Emporbringen der Drachen auf dem Drachenplatz der Seewarte
nur möglich ist, wenn die (wirkliche) Windgeschwindigkeit für Zeiträume von mindestens ‘/2 Stunde betrug,
in Metern pro Sek.: auf dem auf dem
Drachenplatz Thunne der Seewarte
für Malay-Drachen 3.6 5.0 (ältere Skala 5.8)
für Hargrave-Drachen 4.4 6.0 ( „ „ 7.2).
Diese Zahlen gelten ungefähr für Hargrave-Drachen, ohne Meteorograph darin, oder für solche mit
Meteorograph, wenn sie einen Malay-Drachen von ca. V3 ihrer Tragfläche als Vorspann erhalten, der sie
anhebt ; Hargrave mit Vorspann ohne Instrument braucht etwas weniger, solcher ohne Vorspann mit Instru
ment noch etwas mehr Wind, als oben angegeben ist.
Da die am häufigsten den Aufstiegen im Wege stehende Schwierigkeit die ist, den Drachen durch
allzu schwachen Unterwind hindurchzubringen, so sind die Stunden 10 h a. m. bis 5 h p. m. für Aufstiege am
günstigsten, weil dann die unterste Luftschicht am meisten an der allgemeinen Strömung der freien Atmo
sphäre theilnimmt. Hat man erst den Drachen 300 m hoch, so fliegt er meistens auch nach 4 h p. m. sehr
gut. Zum Aufstieg aber braucht man nicht nur einen kurzen Moment, sondern stundenlang guten Wind;
sonst flaut entweder der Wind ab, ehe alle Vorbereitungen getroffen sind (besonders wenn man vor dem
Aufstieg einen längeren Weg zum Draclienplatz zurücklegen muss), oder der kurze Windstoss genügt nicht,
um den Drachen bis in den freien Luftstrom zu bringen. Es genügt aber für einen guten Aufstieg, wenn
der Wind erst von l' 1 ab ausreichende Stärke hat, da 3 — 6 Stunden auch für einen sehr hohen Aufstieg
genug sind.
Ich habe deshalb die gedruckt vorliegenden Hamburger Anemometer-Aufzeichnungen nach folgenden
Kategorien geordnet (die Zahlen sind wirkliche Windgeschwindigkeiten, die vor dem 1. Januar 1886 ge
wonnenen zu grossen Werthe sind auf diese reduzirt):
c. Stille Tage, an denen vom festen Platz aus nichts mit Drachen zu machen ist: von 10" bis 4 P alle
Stundenmittel unter 5 m pro Sek.