\V. Koppen: Erforschung der freien Atmosphäre mit Hülfe von Drachen.
23
sicht natürlich fort und wird man es vorziehen, wenn der Zug schwach ist, ihn durch Hinzufügung eines
Drachens auf die für diese Drahtstärke passende Grösse zu bringen, sofern nicht der Wind inzwischen auch
unten zu schwach zum Auffieren eines neuen Drachens geworden ist.
Grösse und Zahl der Drachen. Im Abschnitt 7 werden verschiedene Arten der Vereinigung
mehrerer Drachen an einer Leine beschrieben werden. Man hat also die Freiheit, anstatt eines grossen
Drachens, mehrere kleine zu verwenden, und den Zug in verschiedener Weise auf die Länge der Leine zu
vertheilen. Der Gebrauch schwankt hierin zwischen weiten Grenzen; während Marvin den Aufstieg thunlichst
mit einem einzigen grossen Drachen zu bewerkstelligen räth, verwendet Teisserenc de Bort bis zu 14 und
mehr kleinere an einer Leine. Mehrfach hat die Praxis dazu geführt, von extremen zu mittleren Verhält
nissen überzugehen: so hat Baden-Powell zur Hebung von Menschen bereits ein Ungeheuer von 11 m Länge
probirt, ist aber dann zur Kombination von 4 bis 5 Drachen von je 3'/a m Länge übergegangen, und umge
kehrt werden auf dem Blue Hill, wo 1897 Hochaufstiege noch mit Drachen von 2 bis 4 qm gemacht wurden,
j etzt solche von 8 qm an die Spitze gestellt.
Zur Orientirung mögen die Drachenflächen hier mitgetheilt sein, welche bei einigen der bekanntesten
Hochflüge zur Verwendung gekommen sind; die Flächen sind verhältnissmässig gering, die Windverhältnisse
dürften allerdings besonders günstig gewesen sein.
Datum Maximalhöhe Drachenfläche Quadratmeter
Blue Hill 19. Sept. 1897 2821 m 3.35+3.81+(5X2.l3)qm «= 17.8 qm
„ 15. Oktb. 1897 3379 „ 6.60+3.35 + (2X2.13) „ = 14.2 ,,
„ 26. Aug. 1898 3488 „ 6.60-R4X3.3) ., = 20.0 „
Berlin-Tegel 26. Juli 1900 4255,, 4.0+2.0 + 2.8 + 2.7 + 2.0 !. = 13.5 ,
Man muss nun fragen, einerseits (1) welche Methode die bequemste und sicherste Handhabung mit der
grössten Arbeitsersparniss verbindet, und andererseits (2), bei welcher Methode die zu liebende Drahtlast,
deren Gewicht ja die Höhe des Aufstiegs begrenzt, am zweckmässigsten verwendet wird. Zu (1) ist zu be
merken, dass man Drachen, die zum Tragen und Auflassen mehr als zweier Männer bedürfen, wo möglich
vermeiden muss, und auch das Bauen und Aufbewahren so grosser Gestelle Schwierigkeiten macht; 6 bis 8qm
Tragfläche und wenig über Mannshöhe wird daher in der Kegel die obere Grenze der Drachengrösse bleiben,
über die hinauszugehen man bei meteorologischen Zwecken keine Veranlassung hat; die Anwendung mehrerer
Drachen hat auch den Vortheil, das Risiko zu theilen und den Zug gleichmässiger zu machen, namentlich
gegenüber plötzlichen Windstössen; andererseits kann ein Drache von 6 qm schneller und sorgfältiger gebaut
und reparirt werden, als zwei solche von 3 qm, und nimmt deren Auflassen und Landen auch fast die doppelte
Zeit in Anspruch; besonders bringt das Anklemmen und Wiederabnehmen der Zweigleinen zum Anheben
eines Drahtes, dessen Steigwinkel zu klein wird, Zeitverlust und manche Gefahren mit sich, und gelingt nicht
selten das Auflassen dieses Hülfsdrachens nicht mehr, w r eil der Wind am Erdboden abgeflaut ist; auch ist,
je mehr Drachen an der Leine sind, zwar die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe kleiner, aber diejenige
eines kleineren Missgeschickes, z. B. des Herabfallens eines Drahtes und die Verankerung des Gespannes
durch ihn — um so grösser, und die Aufmerksamkeit zwischen noch mehr Gegenständen getheilt, als ohne
dies schon bei jedem Aufstieg der Fall ist. Zu (2) ist zu beachten, dass, wenn man Draht von gleich
mässiger Stärke benutzt und z. B. in 1000 m Abstand von einem Drachen einen neuen, mittels Zweigleine,
anklemmt, man entweder im oberen Theile zu schweren Draht angewandt hat, oder unterhalb der Anheftungs
stelle den Draht gefährlich überspannt hat. Denn da der Zug t (vgl. S. 12) sich nur langsam auf der Länge
des Drahtes ändert, so wird er, wenn der Hülfsdrache einigermaassen wirksam sein soll, unter seiner An
heftungsstelle bedeutend grösser sein, als irgendwo oberhalb derselben, und die gewählte grosse Festigkeit
des Drahtes ist oberhalb dieser Stelle von nun an bloss ein unnützes Gewicht. Man muss eben suchen, das
Verhältnis» tiw (S. 12) auf der ganzen Länge der Leine möglichst gleich bleiben zu lassen,
Es ergiebt sich hieraus, dass man, um einen schnellen, glatten und hohen Aufstieg zu erreichen, gut
thut, an das obere Ende des Drahtes eine ausreichende Drachenfläche zu setzen, die ein möglichst langes
Stück gleichförmigen Drahtes ohne weitere Nebendrachen emporträgt; bei Handbetrieb können dies 6 bis 9,
bei Maschinenbetrieb, je nach der beabsichtigten Höhe, 10, 16 und mehr Quadratmeter sein. Es kann
auch vortheilhaft sein, diese Fläche in der Weise zu theilen, dass man nur einen Tlieil an die Spitze setzt,
und 500 m weiter, nachdem sich gezeigt hat, wie der Wind, bezw. der Zug und das Verhalten der Drachen
zur Zeit ist, einen passend gewählten Drachen beifügt, namentlich wenn dieser einen zweiten Registrir-