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Full text: 24, 1901

W. Koppen: Erforschung der freien Atmosphäre mit Hülfe von Drachen. 
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zur Beurtheilung der Wetterlage und also auch zur Wetterprognose nur allmählich erlernt werden wird. 
Dass dem Studium der freien Atmosphäre in der Meteorologie und in der Wetterprognose die Zukunft ge 
hört, daran kann trotz aller gelegentlichen Rückschläge und Enttäuschungen kein Zweifel sein. 
2. Abschnitt. 
Stellung der Aufgabe. Zusammenhang zwischen Höhe und Steigwinkel, 
Zug, Windgeschwindigkeit u. s. w. 
Die Kettenlinie. Die Aufgabe der Drachen in der Meteorologie ist stets die Erreichung einer ge 
wissen, meistens einer möglichst bedeutenden Höhe über dem Boden. Die gleichzeitige Abtrift in horizontaler 
Richtung, die für einige andere Zwecke, z. B. im Rettungswesen zur See, werthvoll ist, hat bei meteorolo 
gischen Drachen nur die Bedeutung einer unerwünschten Nebenerscheinung, die man möglichst zu verringern 
trachten muss. 
Im klebrigen kann die Leistung der Drachen für die Meteorologie verschieden sein, je nachdem sie 
allein sich selbst heben oder Instrumente emportragen sollen. Das erstere ist z. B. der Fall, wenn mittels 
Drachen die Höhe der unteren Wolken oder die Windrichtung verschiedener Höhenschichten bestimmt werden 
soll. In der Regel aber haben die Drachen ausser ihrem eigenen Gewicht als „Nutzlast“ ein Instrument 
in die Höhe zu tragen. 
Ein Drache ist, in aeronautischer Hinsicht, ein Körper, der spezifisch schwerer als die Luft ist, aber 
durch die Umsetzung des horizontalen Drucks des Windes auf einer oder mehreren schiefen Ebenen schwebend 
erhalten wird, so lange er durch eine oder mehrere Leinen*) an der Erdoberfläche festgehalten und ver 
hindert wird, sich mit der Luft fortzubewegen. 
Die Drachenleine ist also für den Begriff des Drachens wesentlich.**) Durch die Kraft des Windes 
wird sie emporgetragen und gespannt. Das Gewicht der Drachenleine und der Druck des Windes auf die 
selbe sind es, die einem normalen Drachenaufstieg seine Höhengrenze setzen. Die an ihrem oberen Ende 
schräg nach oben gezogene Leine bildet, indem ihr Neigungswinkel mit dem Horizont abwärts mehr und 
mehr abnimmt, infolge ihres Gewichts eine Kurve, die zwar durch den Druck des Windes auf den Draht in 
einer noch nicht näher untersuchten Weise beeinflusst wird, aber in der Hauptsache, namentlich bei Stahl 
draht, als Stück einer mathematischen Kettenlinie betrachtet werden kann. 
Bezeichnen wir (Taf. 1, Fig. 2) mit A den das Instrument tragenden Theil eines einfachen Drachensystems, 
also den oder die an der Spitze befindlichen Drachen usw., einschliesslich des Instrumentes selbst, mit B die 
unter der Grenze oo befindliche Leine, bezw. den Draht, so übt A auf B einen Zug aus von der Stärke t und 
unter einem Winkel 0 gegen den Horizont. Ein Theil dieses Zuges trägt das Gewicht des Drahtes B: ein 
anderer Theil überträgt sich auf den Haspel C unter einem Winkel 0' gegen den Horizont. Die vertikale 
Komponente dieses Zuges, der Hub des Drachens oder Drachen-Gespanns A, ist sein nützlicher Theil, der 
zum Tragen des Gewichts der Leine dient; die horizontale Komponente von t oder die Abtrift der Drachen 
ist dagegen (wenigstens bei der meteorologischen Yerwerthung der Drachen) nur schädlich, da sie die Gefahr 
des Abreissens erhöht, also schwerere Leine nöthig macht, und zugleich die Arbeit des Einholens vergrössert. 
Die Güte eines Drachens besteht darin 
a) den Zug nach Richtung und Kraft möglichst gleichmässig zu machen und 
b) einen möglichst grossen Prozentantheil des Zuges als Hub zu gestalten. 
Aus den Eigenschaften der Kettenlinie ergeben sich nach Marvin einige praktisch wichtige Folgerungen. 
Sei MO, Fig. 3, eine Kettenlinie, deren Winkel mit dem Horizont 0 Null, in A aber 0 ist. Denken wir 
uns in A den Drachen, so wird, weil man aus praktischen Gründen den Steigwinkel des Drachens nicht bis 
auf Null sinken lässt, der Ort des Haspels nicht in 0, sondern höher, etwa bei B zu suchen sein, wo dieser 
Winkel 0' beträgt. Die Theorie ergiebt nun — vorausgesetzt, dass die schwere Linie AB überall das gleiche 
*) Unter Leine ist hier stets, ohne Rücksicht auf den Stoff, der Draht, das Kabel oder die Hanf-, Ramie-, oder 
SeidenSchnur verstanden, die den Drachen an die Erde fesselt. 
**) Verliert er die Leine, so wird der „Drache“ zum „Drachenflieger.“
	        
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