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Full text: 24, 1901

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 — 
waren, und die auch auf Wind und Wetter zu achten gewohnt sind. Immerhin kostete das Erlernen theil- 
weise ganz neuer Manöver nicht wenig Zeit und Mühe, besonders da beim Aufsteigen und Landen der 
Drachen sachverständiges Handeln an zwei um 50, 100 und mehr Meter auseinander liegenden Punkten 
erforderlich ist. 
Ueber die gemachten Aufstiege und die dabei angewandten Methoden findet man Angaben in den 
weiteren Kapiteln dieses Berichts. Der ganze Dienst hatte, wie auch die bewilligten Geldmittel, den Cha 
rakter eines Provisoriums, dessen Zweck die Gewinnung der für ein späteres Definitivum nöthigen Erfahrungen 
und Methoden war. Eine Reihe kleinerer Unfälle, namentlich aber ein solcher am 5. Dezember 1899, so 
wie der von Assmann im „Wetter“ 1900, Heft 8, beschriebene Vorfall auf dem Berliner Observatorium am 
26. Juli 1900, belehrten über die Gefährlichkeit eines solchen Betriebes an der Luvseite einer grossen Stadt 
mit elektrischen Strassenbahnen u. s. w. In dem Falle vom 5. Dez. 1899 hat das vom fortgeflogenen Drachen 
mitgeschleppte 300 m lange Stück Stahldraht sich am entgegengesetzten Ende Hamburgs, 5 km vom Auf 
stiegsort, über die Starkstromleitung der Strassenbahn gelegt und zwei Pferde durch den elektrischen Schlag, 
zum Glück nicht erheblich, beschädigt. Da eine Verlegung des Platzes während der Dauer des Provisoriums 
nicht möglich war, so ergab sich hieraus die Nothwendigkeit, die Wahrscheinlichkeit eines ernsteren Unfalls 
durch Einschränkung der Zahl, der Dauer und namentlich der Höhe der Aufstiege möglichst klein zu halten, 
soweit der Zweck des Ganzen auch bei dieser Einschränkung erreicht werden konnte. Die Versuche sind 
deshalb fast nur bei Winden von 5 bis 10 m pr. Sek. und in Höhen nicht über 1800 m gemacht worden. 
Dennoch ist noch zweimal (1. Sept. und 8. Nov. 1900, s. oben) ein Wegfliegen des Drachens erfolgt, glück 
licherweise ohne Schaden; die Ursache des Abreissens wurde erst bedeutend später entdeckt (s. Kapitel 6). 
Auch aus einer anderen Ursache konnte eine möglichste Ausnutzung jeder Gelegenheit zu Drachen 
aufstiegen, wie sie in meteorologischer Hinsicht wohl wiinsclienswerth gewesen wäre, hier zur Zeit nicht an 
gestrebt werden, weil nämlich meine Zeit auch anderweitig dienstlich besetzt war und ich, in Ermangelung 
eines Vertreters, keinen Aufstieg, bei dem Stahldraht und Meteorograph in Verwendung kamen, in meiner 
Abwesenheit habe vornehmen lassen. 
In den Monaten April bis Juli 1901 wurde unter meiner Leitung die Drachen-Ausrüstung für die 
Deutsche Südpolar-Expedition hergestellt. Es wurde einerseits in einer hiesigen Maschinenfabrik ein ge 
eigneter Haspel für den Handbetrieb gebaut, andererseits die nöthigen Drachen — drei grosse, ein mitt 
lerer und drei kleine Hargrave-, zwei Treppen- und drei Malay-Drachen — fertiggestellt und probirt und 
die übrigen nöthigen Ausrüstungs-Gegenstände bestellt oder angefertigt, Gerade in dieser Zeit kamen 
einige Verbesserungen zur Reife, besonders durch die Erfindung der Treppendrachen und der Schlangen 
kausch, durch die der meteorologische Drachenbetrieb hoffentlich werthvolle Erleichterungen haben wird. 
Nachdem im Juli 1901 wiederum 3000 M für das Etatsjahr 1901/02 vom Reichs-Marine-Amt für diese Sache 
bewilligt worden waren, konnten diese Versuche bis zum Ende Oktober weiter verfolgt werden. Aufstiege 
mit Meteorograph wurden 1901 nur 5 im September, je 3 im April und Juni, 2 im Oktober und je 1 im 
Februar, März Mai und August gemacht. 
Der oben bezeichnete Zweck des Provisoriums kann gegenwärtig als erreicht gelten. Die Durchführbar 
keit des meteorologischen Drachendienstes für die Seewarte ist erwiesen, die technischen Schwierigkeiten 
sind entweder überwunden, oder die Wege zu ihrer Ueberwindung klargelegt, und eine Reihe von Gesichts 
punkten für die zweckmässige Ausgestaltung eines solchen Dienstes im Rahmen der Seewarte ist gewonnen. 
Als Ueberleitung zu einem Definitivum erscheint der Drachendienst zum ersten Male für 1902/08 auf dem 
Etat der Seewarte, freilich nur mit einer kleinen Summe. Verhandlungen mit der Finanz-Deputation der 
freien Stadt Hamburg sind eingeleitet, um ein sehr geeignetes Landstück in vortrefflicher Lage an der Orts 
grenze von Hamburg für diesen Betrieb zur Verfügung zu erhalten; es ist zu hoffen, dass im Frühling die 
Uebersiedelung der Drachenstation nach diesem neuen Platze wird stattfinden können, an welchem die Ver 
suche wenigstens bei allen Winden von der Westseite des Horizontes mit unvergleichlich geringerem Risiko 
stattfinden werden, als auf dem jetzigen. Von da an sollen die Aufstiege, so weit es die verfügbaren Mittel 
und der Wind gestatten, so oft als möglich stattfinden. Eine ausreichende etatsmässige Einrichtung des 
Drachendienstes, zunächst für Hamburg, ist für das Jahr 1903 in Aussicht genommen. Weiterhin wird es 
wünschenswertli sein, ein oder zwei solcher Stationen an der übrigen deutschen Küste in Gang zu setzen. 
Das Tempo dieser Entwickelung kann ein langsames sein, da auch die Verwendung der gewonnenen Daten
	        
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