W. Koppen: Erforschung der freien Atmosphäre mit Hülfe von Drachen.
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8. November 1901. Beispiel für freien Fallflug eines Drachens. Bei starkem Winde riss in einer Höhe
von 1650 m der Drache an der obersten Kausch ab und flog in 8'/2 Min. 7.9 km weit, wie aus der Baro
graphenkurve hervorgeht; durchschnittliche horizontale Geschwindigkeit folglich 15.5, vertikale 3.3 m pro Sek.,
letztere abnehmend von ca. 4 auf ca. 2 in pro Sek. Aus Baummangel ist das Thermogramm fortgelassen
und ist nur das Ende des Aufstiegs wiedergegeben. Näheres im „Prometheus“ vom 23. Jan. 1901, N0. 589.
Die Ergebnisse der hier und anderwärts mit Drachen gewonnenen Aufzeichnungen und deren Verbin
dung mit den auf anderem Wege aus den höheren Luftschichten gewonnenen Daten sollen Gegenstand einer
zweiten Abhandlung werden, die voraussichtlich im nächsten Jahrgang dieses Archivs erscheinen ward. Dabei
wird auch der Versuch gemacht werden, die Beobachtungen aus der freien Atmosphäre mehr, als bis jetzt
geschehen ist, für die Wetterprognose zu verwerthen. So viel Lehrreiches für die Klimatologie und die all
gemeine Meteorologie bereits aus den Beobachtungen besonders der Gipfel-Observatorien gewonnen ist, so
liegen doch für eine Verwerthung derselben in der Wetterkunde im engeren Sinne, in der Lehre von den
Witterungswechseln, die doch als Grundlage jeder Wetterprognose dienen muss, nur die ersten Anfänge vor.
Ausser in der Unermesslichkeit der Aufgabe liegt der Grund dafür besonders darin, dass fast alle Berg
observatorien weit abseits von den Bahnen der grossen fortschreitenden atmosphärischen Wirbel und der
starken Wetterwechsel liegen. Erst die immer häufiger werdenden wissenschaftlichen Ballonflüge — im
Jahre 1901 allein gegen 120 — und Drachenaufstiege liefern uns Material aus dieser grossen Werkstätte
des Wetters selbst über den Tiefebenen und den Meeren, in Verbindung mit den ebenfalls erst seit kurzem
arbeitenden vereinzelten Gipfelstationen aus der Nordhälfte Europas, besonders dem Ben Nevis und dem
Brocken.
A xi 1t a 11 g.
Litteratur.
Trotz der Neuheit der Sache giebt es bereits eine nicht unbedeutende Litteratur über die meteoro
logische Verwendung der Drachen, die grösstentheils aus den Jahren 1896—99 stammt. Eine gute Ueber-
sicht derselben findet man in einem Aufsatz von Herrn J. Vincent im „Annuaire de Tobservatoire royal
de Belgicjue pour 1900“, in welchem über 100 Schriften aufgezählt werden. Die zahlreichen in aeronautischen
Zeitschriften erschienenen Mittheilungen sind in diesem Verzeichniss nicht enthalten. Eine Wiederholung
desselben dürfte unnöthig sein, da das „Annuaire“ leicht zugänglich ist und ein Hinweis genügen dürfte.
An dieser Stelle will ich nur die wichtigsten Arbeiten hervorheben, die auch bei Abfassung des vorliegenden
Berichts vielfach benutzt worden sind.
I. Blue Hill Meteorological Observatorv.
1) Exploration of the air by means of kites. I. Kites and instruments, by S. P. Fergusson. II. Results
from the kite meteorographs and simultaneous records at the ground. III. Discussion of the obser-
vations, by H. Helm Clayton. Cambridge, II. S., 1897. (Bildet Bd. XLII, Theil 1 der „Annals of
the Astron. Observatory of Harvard College“).
2) Blue Hill Meteorological Observatory. A. Lawrence Rotch, Director. Bulletins (Sonderabdrücke aus
dem Scientific American, Supplement). Unter diesen Aufsätzen ist für die Technik der Drachen der
wichtigste N0. 3, 1899: Fergusson, S. P.: Progress of experiments witli kites during 1897—98
at Blue Hill Obs. In Bezug auf die meteorologischen Resultate der Drachenaufstiege ist dagegen
No.l, 1899, besonders werthvoll: Clayton, H. Helm.: Studies of cyclonic and anticyclonic pheno-
mena with kites; diese Arbeit hat auch der Studie von J. W. Sandström : Leber die Anwendung
von Prof. V. Bjerknes’ Theorie der Bewegungen in Gasen und Flüssigkeiten auf meteorologische
Beobachtungen in den höheren Luftschichten (Stockholm 1900, Sv. Vetensk. Akad. Handl. Bd. 33,
N0. 4) zu Grunde gelegen.