20
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1900 No. 5 —
erheblich grössere Beträge besitzen. Der Unterschied der Tiefe beider Minima ina Jahre beträgt an der
Küste 0?1 bis 0?3, und bis auf Neufahrwasser kommt der gleiche auch den beiden Maxima zu, während
Barnaul für den Unterschied der Minima einen nur etwas grösseren, 0?8, für den der Maxima aber den
erheblich grösseren im Betrage von 2?8 zeigt.
§ 10. Der jährliche Gang der mittleren interdiurnen Veränderlichkeit der Temperatur an der Küste
im Vergleich mit dem der interdiurnen Veränderlichkeit der Tagesmittel der Temperatur
über Nord-Europa und Russland.
In der angeführten Arbeit von Wahlen finden sich für Russland und eiuige andere, Nord-Europa an
gehörende Stationen die langjährigen Monats-Mittelwerthe der interdiurnen Veränderlichkeit der Tagesmittel
der Temperatur berechnet und für weitere Stationen Europas finden sich diese Werthe in grosser Zahl von
Hann in der Arbeit „Die Veränderlichkeit der Temperatur in Oesterreich“ (Met. Zeitschrift, IX. Jahrg., 1892).
Diese beziehen sich jedoch, mit Ausnahme von Wien, wesentlich auf einen zu kurzen Zeitraum, um mit
grösserer Aussicht auf Erfolg zum Vergleich hier herangezogen zu werden, zumal der jährliche Gang der
I. V. der Tagesmittel von der Wahl der Temperatur-Mittelformel abhängig ist und nicht mit Sicherheit gleich
dem der M. I. T.-V. angenommen werden kann.
Wir begnügen uns daher neben der Station Wien mit den von Wahlen gegebenen Zahlen und stellen
in Tab. XI die den jährlichen Gang darstellenden Grössen analog Tab. X zusammen. Zur Erläuterung
dürfte nur hinzuzufügen sein, dass der durch die Lage der Extreme gekennzeichnete Gang nur dort Un
stetigkeiten aufweist, wo dies in der Tabelle und zwar in der Weise, dass der mehr veränderliche Monat
als Zähler des Bruches hingeschrieben wurde, angegeben ist; diese Art der Bezeichnung findet sich auch
bei den weiteren Angaben (A), die bei abweichender Lage eines Extrems hinzugesetzt wurden, während bei
der Aenderung von Mai bis Juni, wie vom Dezember bis Januar, die Grössen 5 / 6 A und ,2 . j A so zu verstehen
sind, dass ein Pluszeichen eine Zunahme mit der Zeit anzeigt.
Auf dem ganzen Gebiete finden wir die doppelte Schwankung im Jahre, nur für Lugan, Port Alexan-
drowsk und Enisseisk ergiebt sich eine einfache Schwankung, ein Winter-Maximum gegenüber einem Sommer-
Minimum in stetigem Uebergang, entsprechend dem täglichen Winterverlaufe. Das durch A = c —-b seiner
Grösse nach gekennzeichnete sekundäre Maximum der jährlichen Periode ist fast durchweg unbedeutend
und verschwindet auch in Astrachan fast vollständig; mit Ausnahme Skandinaviens erstreckt sich das Steigen
bei diesem Maximum meist nur auf 1 Monat — gegenüber 3 Monaten an der Nordseeküste.
Von West-Russland und dem Eismeer nach dem Kaspischen Meere hin finden wir das Winter-Maximum
wie in Wien und mit Ausnahme der Nordsee-Inseln an der Küste im Januar, über Skandinavien wie auf
den östlichen und im allgemeinen nördlichen Stationen Russlands, von Wjatka bis nach dem Stillen Ozean
im Dezember, in Visby und Baltischport im Februar.
Das erste Minimum stellt sich für die grosse Mehrzahl der Stationen der Tab. XI im April ein, wie
meist an der Ostseeküste, seltener, in Uebereinstimmung mit der westdeutschen Küste im März, und auf
den nördlichsten Stationen Haparanda, Archangel (nahezu auch in Kern), wie den östlichsten Jakutsk und
Nikolaewsk, im Mai. Das II. Maximum tritt über Skandinavien und am Eismeer, wie im äussersten Osten
Russlands in Uebereinstimmung mit der westdeutschen Küste im Juni, im übrigen Gebiet, ebenso wie von
Wustrow bis Memel, im Mai ein; eine weitere Verfrühung bis April zeigt Wien. Das II. Minimum finden
wir fast durchweg im August; nur an wenigen Stationen des Innern Russlands fällt es auf den Juli, gegen
August wenig verschieden, und am Weissen Meere wie im äussersten Osten in Uebereinstimmung mit der
westdeutschen Küste auf den September, in Wien auf den Oktober. Von wenigen Ausnahmen abgesehen,
fällt also, an der Küste wie auf dem ganzen übrigen Gebiete, das I. Maximum, das ausser den Inselstationen
das Haupt-Maximum darstellt, auf Dezember-Januar, das I. Minimum auf März-April, das II. Maximum auf
Mai-Juni und das II. Minimum, das durchweg die kleinste M. I. T.-V. zeigt, auf August-September. Es
scheint die gleichmässigste Anordnung der Extreme Dezember, März, Juni, September, entsprechend der
Lage der Solstitien und Aequinoktien, den Verlauf der M. I. T.-V. im ausgesprochen ozeanischen Klima dieser
Breite darzustellen und die Anordnung Januar, April, Mai, August, also durchweg eine Verschiebung des
Eintritts der Extreme um einen Monat, nach Frülijalirs-Ende hin, für rein kontinentale Gebiete dieser Breite
zu gelten. Es würde hiernach das II. Maximum im Juni an der westdeutschen Küste, über Skandinavien,