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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1900 No. 5 —
Maximal-Temperatur am Mittag in unserer Breite noch nicht erreicht und daher beobachten wir das Steigen bis
zu einer späteren Nachmittagsstunde, bis zu dem Zeitpunkt, wo die von der unteren Luftschicht aufgenommene
Wärmemenge gleich der von ihr abgegebenen ist. In durchweg heiteren Gebieten werden wir das Eintreten
der dem Sonnenstände zukommenden Maximal-Temperatur am Mittag täglich zu erwarten haben und finden
dementsprechend neben der geringeren Veränderlichkeit der höchsten Temperatur auch diese dem höchsten
Sonnenstände weit benachbarter als bei uns. An klaren Tagen wird aus dem gleichen Grunde zu derselben
Jahreszeit die höchste Temperatur bei uns zeitiger eintreten als an trüben oder wolkigen, wenn wir von
gleichen Morgen-Temperaturen ausgehen. Folgt auf einen wolkigen oder trüben Tag ein klarer Tag, ohne
dass eine Zufuhr anderstemperirter Luft durch einen Wetterumschlag stattgefunden hat, so wird die I. T.-Ä.
zunächst stark und dann langsamer unter der Einwirkung der Insolation zunehmen und eine Verminderung
erfahren, sobald die höchste Temperatur am klaren Tage erreicht ist, da der trübe oder wolkige Tag dann
noch ein Steigen der Temperatur zeigen wird; die Temperatur sinkt ferner an dem klaren Tage schneller
als an dem trüben, sodass ein weiteres Sinken der I. T.-Ä. folgt, bis im Sommer am späten Abend und
zum Theil erst nach Mitternacht an beiden Tagen die gleiche Temperatur erreicht ist. An dieser Abnahme
ist nach Sonnenuntergang die Ausstrahlung wesentlich betheiligt, die an dem klaren Abend stärkere Wirkung
als an dem trüben ausübt und daher die Verminderung der durch die Insolation hervorgerufenen Gegensätze
beschleunigt. Die geringere Kraft der Ausstrahlung gegenüber der Insolation zeigt im Sommer die rasche
Verwischung der durch die nächtliche Ausstrahlung geschaffenen Unterschiede, die kurze Dauer des Sinkens
vom I. Maximum zum I. Minimum, im Gegensätze zu dem langen Zeitraum der Abnahme der I. T.-Ä., die
auf das Maximum am Nachmittag folgt.
Nach dem zweiten Minimum am späten Abend erfolgt dann wieder das Steigen unter der Einwirkung
der nächtlichen Ausstrahlung. Im täglichen Gange der I. T.-V. giebt es demnach im Sommer eine doppelte
Schwankung, die wir, von Minimum zu Minimum rechnend, kurz als die Einstrahlungs- und Ausstrahlungs-
Schwankung bezeichnen wollen. Im Winter fällt die Einstrahlungs-Schwankung fort. Der zu dieser Jahres
zeit nur eine Schwankung aufweisende Gang findet seine Erklärung darin, dass nach Sonnenaufgang, wenn
die Wärmezufuhr überwiegt, die I. T.-V. zunächst abnimmt, indem sich die durch die Ausstrahlung mittels
der interdiurnen Aenderung der Bewölkung von Tag zu Tag geschaffenen Gegensätze verwischen; die Aus
strahlung ist aber im Winter so mächtig im Vergleich mit der Insolation, dass die interdiurnen Temperatur-
Gegensätze gleicher Morgenstunden unter dem Einfluss der Insolation nicht völlig verschwinden und diese
von Tag zu Tag keine Gegensätze selbständig zu schaffen vermag. Es fällt daher im Winter die im Sommer
beobachtete Zunahme der I. T.-V. vom Vormittag bis zu einer Nachmittagsstunde fort, die I. T.-V. sinkt
einfach bis zum Nachmittag, um dann unter dem Einfluss der Ausstrahlung durch Vermittlung der inter
diurnen Veränderlichkeit der Bewölkung wieder zuzunehmen.
Den gleichen Gang zeigen die von Kremser*) aus den Registrir-Tempei’aturen von Hamburg aus den
Jahren 1878/79 für das Sommer- und Winter-Halbjahr berechneten stündlichen Werthe der interdiurnen
Veränderlichkeit der Temperatur.
Die Umkehr dieses winterlichen täglichen Ganges der interdiurnen Veränderlichkeit der Temperatur,
Zunahme von etwa Sonnenaufgang (erst stark, dann verlangsamt) bis zum Nachmittag und dann stetige Ab
nahme bis zum frühen Morgen darf mit Sicherheit auch als in der Natur vorkommend erachtet Averden;
sie wird bei gleicher interdiurner Veränderlichkeit der Bewölkung in den Tages- und Nachtstunden dann
auftreten, wenn der Einfluss der Ausstrahlung die von Tag zu Tag durch die Insolation hervorgerufenen
Gegensätze der Temperatur nicht zu verwischen und nicht selbständig Gegensätze hervorzurufen vermag,
besonders aber dort in Erscheinung treten, wo die interdiurne Veränderlichkeit der Bewölkung Nachts geringer
als am Tage ist. Der tägliche Gang der interdiurnen Veränderlichkeit der Temperatur in Bremen zeigt im
Juni bereits nur kleine Abweichungen von diesem extremen sommerlichen Gang, da das spätabendliche
Minimum hier im Juni erst um 1“ eintritt und die Veränderlichkeit dann bis 4“ nur um 0?09 unter dem
Einfluss der Ausstrahlung zunimmt, um dann nach einer Abnahme um 0?26 nach 6“ wieder zu steigen.
Zeichnet man mittels Tab. III für die Monate des Jahres den Verlauf der Stundenwerthe der I. T.-V.
von Bremen, so zeigt sich im Dezember von dem Maximum um 7 a ein steiler Abfall bis 2 p und dann
*) Kremser, Die Veränderlichkeit der Lufttemperatur in Norddeutschland. Abhandlungen des Königl. Preussischen
Meteorologischen Instituts. Band I, No. 1 (S. 17), Berlin 1890.