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Aus dem Archiv der Deutschen See warte —- 1900 No. 1 —
Verfolgt man die Aenderungen der gleichen einzelnen Monatsmittel von einem Jahr zum anderen, so
ergiebt sich, dass die Mittel der Maximum- und der Minimum-Temperaturen fast ohne Ausnahme in Bezug
auf die Vorzeichen gleichartige Aenderungen erfahren. Der Monat setzt sich eben aus mehr oder weniger
einzelnen Wetterperioden zusammen, von denen jeder eine gewisse mittlere Temperatur als Basis über oder
unter dem Normalwerthe zukommt, auf der dann Ein- und Ausstrahlung operiren, sodass die beiderartigen
Extrem-Temperaturen von Periode zu Periode und ebenso von Jahr zu Jahr zu der gleichen Zeit des Jahres
dem Vorzeichen nach im allgemeinen gleichartige Aenderungen erfahren müssen.
Daher erklären sich auch, gemäss den obigen Darlegungen, für den Winter die grösseren Werthe der
mittleren Abweichung der Minimum-Mittel und für die warme Jahreszeit das weit entschiedenere Ueberwiegen
der mittleren Abweichung der Maximum-Mittel, wie auch das Auftreten der grössten Werthe der mittleren
Abweichung für beide Temperatur-Extreme im Winter und deren kleinsten Werthe in der warmen Jahreszeit.
Als ein wesentliches Moment bei dem Zustandekommen relativ kalter Witterung im Gegensätze zu
warmem Wetter verdient besonders auch der Unterschied hervorgehoben zu werden, dass sich kalte Luft
massen ohne Neigung zum Aufstieg längs der Erde fortbewegen, während die Zufuhr warmer Luft durch
Winde nur in beschränktem Maasse möglich ist. Während wir Kältewellen kennen und im Winter in vielen
Fällen hei den Perioden des schärfsten Frostes den Lufttransport aus dem Kältegebiet im Osten auf den
Wetterkarten mit Sicherheit verfolgen können, dürfen wir von eigentlichen Wärmewellen nur mit Ein
schränkung sprechen. Wo wir die Ausbreitung extremer Hitze von einem Gebiet zum anderen beobachten,
handelt es sich nicht wie bei Kälte um Lufttransport, sondern lediglich um eine Ausbreitung der meteoro
logischen Bedingungen, die der Entwicklung abnorm hoher Wärmegrade förderlich sind. Gewiss wird im
Winter die Erwärmung mit dem Vordringen ozeanischer Winde fortschreiten, nicht aber wird im Sommer
abnorme Hitze durch Winde auf erhebliche Entfernung fortgepfianzt.
Die geringe mittlere Abweichung der mittleren Minimum-Temperatur im Juni bis August dürfte vielleicht
zum Theil auf den hohen Wasserdampfgehalt der Luft in diesen Monaten zurückzuführen sein, erscheint
aber wesentlich dadurch bedingt, dass um diese Jahreszeit die thermischen horizontalen Gegensätze ihren
kleinsten Werth erreichen, die' Atmosphäre relativ durchwärmt ist, und der Wetterlage eine grössere Ver
änderlichkeit als im Winter zukommt.
§ 3. Vergleich des arithmetischen Mittels der Monatsmittel des täglichen Maximum und Minimum
mit der wahren Mittel-Temperatur.
Um die wirkliche monatliche Mittel-Temperatur von Hamburg für den Zeitraum zu berechnen, wurden
die Mittel-Temperaturen der Monate der einzelnen Jahre mit zwei Dezimalstellen theils den Jahrbüchern
der Seewarte, theils den Manuskript-Tabellen entnommen. Bis auf das Jahr 1876, für welches die Mittel
abweichend berechnet worden waren und diese daher neu berechnet werden mussten, lagen den Mittel-
werthen die sogenannte Sommer- und Winterformel zu Grunde, nämlich für Mai bis August die Formel
\ (8®+ Maximum + Minimum +8P) und für September bis April die Formel 4- (^ +2+8 8 _ + 8? \
4 2 \ d 2 /
Da der Verfasser (Met. Zeitschrift IX, 1892), gezeigt hat, dass für April und August die Mittel besser als
Mittel aus beiden Formeln zu berechnen sind und dort weiter die Korrektionen abgeleitet hat, die zur Re
duktion der so erhaltenen 12 Monatsmittel auf wahre vierundzwanzigstündige Mittel dienen, so wurden diese
Korrektionen zugefügt, und es ergaben sich in solcher Weise die folgenden wahren Mittel-Temperaturen von
Hamburg für 1876-—1900:
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept.
— 0.59 0.90 2.90 7.24 11.75 15.51 16.79 16.48 13.63
Okt. Nov.
8.71 4.17
Dez. Jahr
1.00 8.21
Die Abweichungen der arithmetischen Mittel der monatlichen Mittelwerthe der (korrigirten) Maxima
und Minima finden sich in Tab. II nebst den für Wien und Brüssel berechneten zusammengestellt; erstere
wurden mittels der Wiener Jahrbücher 1876 — 88 abgeleitet, letztere für die Jahre 1843 — 82 dem Werke
Quetelet’s (Memoire sur la Temperature de l’Air ä Bruxelles, 1867) entnommen. Hiernach ist das Mittel
der Extrem-Temperatur-Mittel für Hamburg und Brüssel durchweg zu hoch und meist auch für Wien; die