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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1899 No. 2 —
der Luftbewegung auf die Rückseite der Cyklone. Breslau und die Schneekoppe weisen bei östlichen und
nordöstlichen Gradienten, also N- und NW-Winden, die grösste Luftbewegung auf. Don Uebergang hierzu
sehen wir sowohl bei Karlsruhe und Höchenschwand, als auch bei Magdeburg 95 ) deutlich ausgeprägt, während
das Maximum der Windgeschwindigkeit von Swinemünde 96 ) sich wie das von Breslau und der Schneekoppe
auf der Rückseite entwickelt.
Wir finden also den von Herrn Kassner 91 ) aufgestellten Satz „die grössten Windstärken treten bei
den Landcyklonen an der Rückseite der Cyklone, bei den Küstencyklonen an der Vorderseite auf“ bestätigt;
ebenfalls zeigt sich bei der Küstenstation Fumes der geringe Unterschied in der Windstärke zwischen den
einzelnen Gradienten-Riclitungen, worauf schon Herr Kassner 98 ) für die Küstencyklonen hinweist.
Im Gegensätze zu den östlich gerichteten haben die westlichen Gradienten die geringste Luftbewegung,
wie sich dies bei allen Stationen charakteristisch bemerkbar macht.
Der Grund, warum wir bei nördlich und östlich gerichteten Gradienten in den Cyklonen die grössere
Windstärke antreffen, ist in der Grösse des Gradienten") selbst zu suchen, da dieser auf der Süd- bezw.
Südwestseite einer Depression meist sein Maximum erreicht, womit ja die Windstärke im engsten Zusammen
hänge steht.
Was nun die Geschwindigkeit der Luftbew r egung in mittleren Höhen anbelangt, so erfolgt dieselbe da
selbst bedeutend schneller als in der Nähe der Erdoberfläche, indem ja die Reibung, welche die Stärke der
Luftbewegung verzögert, mit zunehmender Höhe rasch abnimmt.
Während wir noch für Höchenschwand im Winter bei nordwestlichen Gradienten eine sehr lebhafte
Luftbewegung antreffen, ist bei der Schneekoppe das Maximum vollständig auf der Rückseite vorhanden —
s. Tabelle 8d bezw. 8f.
Bei den anticykloualen Gradienten haben wir etwas abweichende Verhältnisse; meist liegt das Maximum
auf der Vorderseite, und zwar bei nordöstlich gerichteten Gradienten (also W-Winde), während auf der Rück
seite die geringste Windgeschwindigkeit herrscht. Bemerkenswerth ist das Anwachsen der Windstärke bei
SW- und S-Gradienten, welches wir bei Fumes, Höchenschwand und im Winter auch bei der Schneekoppe,
selbst bei Breslau A, antreffen; ferner die Zunahme der Windgeschwindigkeit in Höchenschwand bei west
lichen Gradienten; letztere ist vielleicht auf lokale Ursachen zurückzuführen. Die Eigentliümlichkeit, die
schon Herr Krankenhagen IM ) erwähnt, dass die Luftbewegung bei südlichen Gradienten, also nörd
licher Lage des Maximums, in der Sommerzeit an Intensität weit erheblicher ist, finden wir für Furnes und
Höchenschwand bestätigt, während bei den anderen Stationen dieses Verhalten nicht ausgeprägt ist.
2) Windstärke und Luftdruck.
Weiter tritt deutlich eine regelmässige Abnahme der Windstärke mit zunehmendem Barometerstände
zu Tage, während dieselbe mit Annäherung an das Centrum der Cyklone bis zu einer bestimmten Grenze
wächst, um das Maximum nahe dem Centrum zu erreichen. Im Mittel genommen ist bei allen Stationen die
Windstärke im Sommer kleiner als im Winter, in den Cyklonen grösser als in den Auticyklonen.
Das Minimum der Luftbewegung tritt allenthalben im centralen Raum der Auticyklonen ein, ebenfalls
prägt sich die Kalme im Centrum der Depression aus, wenn man von den wenigen Fällen von Karlsruhe und
Höchenschwand absieht.
Die Ausnahme bei der Schneekoppe während der Winterzeit stammt entweder von der geringen An
zahl der Beobachtungsfälle her, oder aber ist auf eine Deformation der Cyklonen mit der Höhe zurückzu
führen.
Hieraus ergeben sich folgende Sätze:
11) Die grössten Windstärken treten bei den Landcyklonen im W-Quadranten, bei denKiisten-
und den der Küste näher gelegenen Orten im S-Quadranten auf; bei den Anticyklonen jedoch auf
der Vorderseite.
12) Die Windstärke ist im Winter grösser als im Sommer, in den Cyklonen grösser als in
den Anticyklonen.
18) Die Windstärke nimmt ab mit zunehmendem Barometerstände, und umgekehrt wächst
sie bis zu einer gewissen Grenze mit abnehmendem Barometerstände.