Aus dem Archiv dev Deutschen Seewarte — 1S0!I Xo. 2
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Nord- und Nordostseite, und umgekehrt die Zunahme auf der Rück-(Südwest)seite. Damit tritt natürlich
der stärkeren Gradienten wegen eine Vermehrung der Windgeschwindigkeit an der Rückseite ein, ganz wie
es z. B. die Beobachtungen an der Schneekoppe zeigen (s. Tabelle 8).
Diese gesteigerte Luftbewegung mit der Höhe hat eine vermehrte centrifugale Beschleunigung zur Folge;
auf der Vorderseite kann nun der erlahmenden Bewegung wegen die Luft zum Abtliessen gelangen, indem
daselbst die Gradienten im Gegensätze zur Rückseite am schwächsten sind. Bewegungen gegen den Gradienten
sind nach Prof. Koppen 85 ) im allgemeinen nur dann möglich, wenn ein Luftstrom aus stärkeren in
schwächere Gradienten tritt, was ja auch mit den Beobachtungen übereinstimmt, da an der Erdoberfläche
die steilsten Gradienten meist an der Vorderseite liegen. Auf der Rückseite hingegen werden der stärkeren
Gradienten wegen die beschleunigten Luftmassen der Centrifugalkraft entgegenarbeiten und bleiben daselbst
die centripetalen Bewegungen erhalten. Es ist also, um nochmals zu rekapituliren, die Energiequelle, die
das Ausfliessen der Luftmassen bedingen kann (dabei vorausgesetzt, dass die Entstehung der Cyklone in den
oberen Luftschichten veranlasst wird), auf der Rückseite der Depression zu suchen; das Ausfliessen wird
dann um so leichter erfolgen können, je stärker die Unterschiede in der Gradientengrösse zwischen Vorder
em! Rückseite sind.
Aus diesen Erörterungen gelangen wir zu dem Satze:
3) In Höhen von 1000 m und mehr, ist, bezogen auf die Isobaren im Meeresniveau, an der
Vorderseite der Minima bereits ein Ausströmen der Luft, an der Rückseite der Maxima hingegen
ein Einströmen vorhanden.
c) Verhalten der mittleren Ablenkungswinkel. Die zahlreichen, zur Untersuchung heran
gezogenen Fälle dürften eine weitere Belegung des von allen Forschern einstimmig gefundenen Satzes sein:
..Der Ablenkungswinkel ist in den Cyklonen grösser als in den Anticyklonen.“ Weiter ergiebt sich, dass
der mittlere Ablenkungswinkel sowohl mit Annäherung an die Küste als mit steigender Erhebung über dem
Erdboden wächst; es ist dies eine Folge der geringeren Reibung der Luft.
Beim Vergleiche der Situationen C\. C' 2 , C 8 bemerken wir öftere Unregelmässigkeiten, in der Regel
scheinen niedrigere Barometerstände auch von grösserem Ablenkungswinkel begleitet zu sein; jedoch muss die
Untersuchung dieses Verhalten dem zweiten Theile der Arbeit, wo die Entfernungen mit in Betracht ge
zogen werden, Vorbehalten bleiben.
Nur vorgreifend möchte ich erwähnen, dass bei der Schneekoppe das Maximum von « in einem
grösseren Abstande vom Centrum angetroffen wurde, was vielleicht auf ein Einströmen von allen Seiten in
einigen 100 km vom Centrum hinzudeuten scheint, während in den äusseren Zonen die Luft auf der Vorder
seite stark ausfliesst. (Siehe Tabelle 4f, Figur 31—32.)
Ebenfalls wie bei den cyklonalen Lagen Abweichungen umgekehrter Art keineswegs zu den Seltenheiten
gehören, weisen auch bei den Anticyklonen einzelne Stationen ein entgegengesetztes Verhalten auf, so haben
Karlsruhe, Höchenschwand und die Schneekoppe in Aj grössere Winkel als in .d,; Breslau genau denselben
Winkelwerth für beide Positionen.
Im Mittel der gesamten Fälle ist allenthalben der Ablenkungswinkel in der warmen Jahreszeit grösser
als in der kalten; in der Arbeit von Kassner finden wir ähnliches, welches Herr Kassner 86 ) auf die leb
haftere Luftbewegung während des Winterhalbjahres zurückführen zu können glaubt, wodurch es den Luft-
theilchen schwerer fällt, von der Gradientenrichtung abzuweichen; daher der kleinere Winkel im Winter.
Bezüglich der cyklonalen Werthe treffen wir für Karlsruhe und Breslau im Sommer kleinere « als im
Winter an, während in anticyklonalen Lagen der Mittelwert!) im Sommer bedeutend grösser ist. Scheinbar
stimmt dies auch wieder mit den Kassner’schen Ergebnissen überein, indem Tabelle 8e der Windstärke
lehrt, dass für Breslau beide Halbjahre gleiche Windstärken (2.0) haben; weiter finden wir in dem zweiten
Theile der Arbeit im Sommer eine grössere Nähe des Centrums der Cyklonen als im Winter, womit im
engsten Zusammenhänge eine Steigerung der Luftbewegung in der grösseren Nähe des Centrums steht.
Die obige Schlussfolgerung widerspricht jedoch direkt der Guldberg-Molm’schen Grundgleichung