R. Engelhardt: Untersuchungen über die Strömungen der Ostsee: Die Dichtigkeitsfläche.
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Im Anschluss an die vorerwähnte Linie +0.60 m der Mohn’sehen Arbeit würde also die Linie +100 mm
in unserer Karte der Mohn’schen Linie +0.0 m entsprechen. Bei Kronstadt würde die Niveaufläche um
ca. 1 m, bei Haparanda um ca. 95 cm infolge der Dichtigkeitsunterschiede höher liegen als an der Molm
achen Nulllinie mitten im Nordmeere. Zwischen der Ostsee östlich von Bornholm und dem Ausgange des
Skagerrak ergäbe sich darnach ein Gefälle von ungefähr 33 cm, was für die Theorie der Strassenströme von
Bedeutung sein dürfte.
Fragt man überhaupt nach den Stromverhältnissen, die durch diese Dichtigkeitsfläche bestimmt werden,
so müsste man, um sie genau zu erhalten, die Gradienten der einzelnen Niveaulinien suchen und mit deren
Hülfe (wie nach dem barischen Gesetz für Luftströmungen) die Stromrichtung und Stromstärke bestimmen.
Es erfordert dies eine sehr umständliche und mühsame Rechnung, die, ebenso wie die nähere Untersuchung
der Tiefenströme, einer späteren Gelegenheit Vorbehalten bleiben soll. Auch Untersuchungen über eine
etwaige Aenderung der Dichtigkeitsfläche mit den Jahreszeiten bieten sich als künftig noch zu lösendes
Problem, das bei der vorliegenden Arbeit kaum gestreift werden konnte. — Einfacher, aber weniger genau
könnte man auch die Stromstärke für das Gefälle senkrecht zu den Niveaulinien berechnen; man addirt
dann zu der Richtung der Gradienten noch eine Winkelkorrektion für die Ablenkung durch Erdrotation,
um auch die Stromrichtung zu erhalten. Diese letztere Art würde indessen nicht einmal das theoretische
Interesse haben, welches der ersteren nicht abgesprochen werden kann. Eine praktische Bedeutung haben,
wegen der schnell wechselnden Verliältnisse in den Gefällen und des grossen Einflusses der WTndströmungen,
beide nicht.
Man kann übrigens den ungefähren Verlauf des Stromes aus den Niveaulinien ablesen, wenn man be
achtet, dass bei den Gefälleströmungen die Rechtsablenkung durch Erdrotation sehr merklich zu sein pflegt.
Darnach zu urtheilen, würde der Strom in der ganzen bottnischen See, allerdings sehr schwach, südlich
setzen. Im finnischen Meerbusen, in der Nähe von Kronstadt, müsste er stärker südwestlich laufen, später
mehr nach Westen umbiegen und langsamer werden. Der Hauptstrom in der eigentlichen Ostsee ist, im
Süden von Osel stärker und an der übrigen russischen Küste schwächer, westlich und südwestlich, an der
schwedischen Ostküste schwach südöstlich, und in der Mitte, d. h. mehr nach der schwedischen Seite zu
schwach, südlich.
Von der preussischen Küste setzt er, wie überhaupt von der ostdeutschen Küste (bis Rügen) ab. Dort
am frischen und kurischen Haff, d. h. bei letzterem von der nächsten Nähe der Küste abgesehen, hat er
vielleicht eine schwach östliche Komponente infolge der längs der Küste setzenden Oder- und Weichsel
gewässer, welche allmählich in die schon erwähnten beiden grossen Zungen der +100 mm-Linie auslaufen.
Je weiter nach Westen und Norden, desto mehr geht die östliche Komponente in eine westliche über. West
lich von Rügen ändert sich das Bild. Die Strombetten werden enger, das Gefälle grösser und infolgedessen
der Strom stärker. An der deutschen Küste müsste ein ganz flacher Oberflächenstrom westlich setzen (nach
unserer Kartei. Dagegen in der Tiefe, je weiter westlich, desto stärker müsste ein Unterstrom nach Osten
laufen. Ebenso sind die Verhältnisse im kleinen Belt in nord-südlicher Richtung. Im grossen Belt müsste
der Oberflächenstrom schon stärker sein (natürlich nördlich laufend) und am kräftigsten im Sund, was auch
zutrifft. Meines Wissens ist der nördlich setzende Strom im Belt nie so stark wie er im Sund sein kann,
und leichter macht sich im Belt ein von Norden kommender, mit dem Wind gehender Strom bemerkbar.
Im Kattegat müsste der Niveauabfall nach Westen und die Kraft der schwedischen Ströme eine westliche
Komponente, je weiter nach Norden, desto stärker hervorbringen, umsomehr, da der rechtsdrängende, ein-
fliessende Strom mit seiner Niveaudepression dazu hilft. Weiter nördlich kommen dann die südlich laufen
den Strömungen aus den Fjorden Norwegens in Betracht und helfen dazu das Umbiegen des Ostseestromes
nach Westen zu begünstigen. Daher dort das geringe Gefälle, innerhalb dessen die Stationen E\\, 12, 13
und En, 18 liegen. Indes die Resultate werden infolge der Senkung der Grenzfläche, die in diesen Gegenden
stattfinden muss, immer ungenauer, doch lässt die Mulde der Niveauflächen sich noch deutlich erkennen.
Der Strom müsste demnach dort südsüdwestlich setzen.
Diese kurzen Bemerkungen können natürlich kein abschliessendes Bild der Strombewegungen in der
Ostsee geben. Dazu muss nothwendigerweise die Windfläche berücksichtigt werden, und diese Aufgabe
muss einer späteren Gelegenheit Vorbehalten bleiben.