Archiv 1S99. 6.
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No. 6.
Untersuchungen über die Strömungen der Ostsee.
Die Dichtigkeitsfläche.
Von R. Kngelhardt.
In seinem Werke „Nordhavcts Dybder, Temperatur og Stromninger“ (Christiania 1887) hat Professor
H. Mohn den Versuch gemacht die in diesem Meere herrschenden Strömungen aus ihren Ursachen her
zuleiten und zu berechnen. Ein Auszug aus diesem Werke ist in deutscher Sprache in Peterm. Mitteilungen
(Erg.-Heft No. 79: H. Mohn, „Die Strömungen des europäischen Nordmeeres“) erschienen.
Der Verfasser konstruirt zunächst aus den beiden Hauptursachen der Meeresströmungen, d. s. Wind
und Dichtigkeitsunterschiede, zwei Stromsysteme, die ihren graphischen Ausdruck in den von ihm sogenannten
Wind- und Dichtigkeitsflächen finden.
Um die Windrichtung zu ermitteln, hat Mohn aus langjährigen barometrischen Beobachtungen (be
sonders aus den Küstengegenden des Nordmeeres) eine Isobarenkarte hergestellt; diese ergiebt nach dem
barischen Windgesetz mit Hülfe der barometrischen Gradienten die vorherrschende Windrichtung und Wind
stärke, aus welchen Daten er dann durch ein empirisches Verfahren die Richtung und Stärke der durch
den Wind hervorgerufenen Meeresströmungen und der dadurch erzeugten Abweichungen der Meeresober -
fiäche von einer bestimmten Niveaufläche berechnet. Das ist seine Windfläche.
Im zweiten Falle (Dichtigkeitsfläche) berechnet er nach einer Methode, die weiterhin des näheren aus
geführt werden ward, nach dem Gesetze der kommunizirenden Röhren die aus der örtlich verschiedenen
Dichtigkeit resultirenden Abweichungen der Meeresoberfläche von einer bestimmt festgelegten Niveaufläche.
Durch Superposition der beiden Flächen, der Wind- und der Dichtigkeitsfläche, erhält er dann die
sogenannte Stromfläche und daraus weiterhin ein Stromsystem für den betreffenden Meerestheil, welches im
gegebenen Falle (allerdings auch wohl infolge einiger aus der Erfahrung genommener Korrekturen) mit dem
thatsächlichen Stromsystem, soweit dasselbe erforscht ist, sehr gut übereinstimmt.
Seit Mohn ist dies Verfahren nicht wiederholt, ja kaum kritisch durchgesehen worden, obwohl die
wissenschaftliche Meereskunde in den letzten Jahrzehnten erheblich gefördert und namentlich unsere Kennt
nisse sowohl von der Luftdruckvertheilung über den Meeresflächen, als auch von der Anordnung der Tem
peraturen und des Salzgehaltes in horizontaler und vertikaler Richtung im Meere selbst, beträchtlich ver
mehrt und vertieft worden sind.
Im folgenden soll Mohn’s Versuch, wenigstens partiell, wiederholt werden, indem für den Bereich der
gesamten Ostsee die Konstruktion einer Dichtigkeitsfläche vorgenommen wird, da in diesem Meeresgebiete
die Temperatur- und besonders die Salzgehalts-Vertheilung sehr wechselvoll und für die resultirenden Strom
vorgänge von besonderer Wichtigkeit ist.