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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1S99 No. 5 —
Viel vortheilhafter erschien es mir, bei der Wettervorhersage in erster Linie die weit beständigeren
Hochdruckgebiete zu Grunde zu legen, ohne dabei die Lage und das Verhalten der Depressionen zu ver
nachlässigen. Von dem Gesichtspunkte ausgehend, dass der allgemeine Witterungscharakter in unseren
Gegenden durch die Lage und die Wechselwirkung der Hochdruckgebiete und der Depressionen bestimmt
wird, dass gewisse ähnliche Wetterlagen häufig wiederkehren und eine gewisse Erhaltungstendenz aufweisen
(Wettertypen) und dass bei ähnlichen Wetterlagen sich auch ähnliche Witterungserscheinungen zeigen, wobei
eine jährliche Periode unverkennbar in die Erscheinung tritt, stellte ich nach reiflicher Ueberlegung fünf
Hauptwetterlagen für Europa auf, welche für die Witterung Deutschlands und dessen Umgebung maassgebend
sind und welche sich leicht dem Gedäclitniss eiuprägen. Diese Hauptwetterlagen oder Hauptwettertypen
sind die folgenden:
Typus I. Hochdruckgebiet über dem Westen Europas (etwa über den britischen Inseln und deren
Nachbarschaft), Depressionen über den östlicher gelegenen Gegenden.
Typus II. Hochdruckgebiet über Zentraleuropa (speziell über Deutschland), Depressionen
erst in grösserer Entfernung (Strahlungs-Typus).
Typus III. Hochdruckgebiet über Nord- oder Nordosteuropa, Depressionen auf der Süd
seite dieses Gebietes (am häufigsten über dem Mittelmeergebiete oder über der Biscayasee).
Typus IV. Hochdruckgebiet über Osteuropa, Depressionen im Westen des Erdtheils.
Typus V. Hochdruckgebiet über Südeuropa, Depressionen über nördlicher gelegenen Gegenden.
Zur Untersuchung des Verhaltens der oben angeführten Wettertypen wurden die Wetterkarten der
Seewarte für 8 Uhr morgens zunächst aus dem Zeiträume 1886 bis 1895 benutzt und diese nach den Haupt
wetterlagen gruppirt. Diese Einordnung in Gruppen gelang in fast allen Fällen, nur in einigen wenigen
Fällen erschien diese Einordnung zweifelhaft und dann wurde die Hauptgruppe gewählt, welche in Bezug
auf die Witterung Deutschlands am meisten zu entsprechen schien. Der Vergleichung wegen wurde jede der
oben angegebenen Hauptwettertypen (mit Ausnahme des Typus II) in zwei Untertypen zerlegt, wie Typus I
in Maximum im W und NW, Typus III in N und NE, Typus IV in E und SE und Typus V in S und SW.
Iudessen zeigte die Untersuchung, dass die Vereinfachung der Anzahl der Wetterlagen von 9 auf 5 durch
aus gerechtfertigt ist, wie auch die unten stehenden Tabellen, welche auch die Scheidung in Untertypen
grösstentheils enthalten, deutlich nachweiseil.
Um nun zu endgültigen Ergebnissen zu gelangen, habe ich in derselben Weise auch das Dezennium
1876 bis 1885 untersucht. Die unten folgenden Tabellen geben eine vergleichende Zusammenstellung der
Untersuchungs-Resultate des zwanzigjährigen Zeitraumes von 1876 bis 1895. Eine Reihe von Repräsentanten
dieser 5 Hauptwettertypen mit erläuterndem Text habe ich in meiner „Wettervorhersage“ (2. Auflage), im
„Wetter“ (1897), sowie in den „Annalen der Hydrographie etc.“ (1897) vorgeführt; auch hier wollen wir
dieselben wiedergeben, wobei auf Wiedergabe des Textes verzichtet werden kann (siehe Figuren 3—13).
Häufigkeit der Hauptwetterlagen in der jährlichen Periode.
Die Häufigkeit der Hauptwetterlagen in der jährlichen Periode ist naturgemäss abhängig von der je
weiligen Luftdruckvertheilung und daher erscheint es nicht überflüssig, diese zunächst kurz zu besprechen.
Die nachfolgende Tabelle giebt nach Hann in anschaulicher Weise die Aenderungen in der Luftdruck
vertheilung, welche sich im Laufe des Jahres in Europa durchschnittlich vollziehen. Dieselbe enthält die
Luftdruckdifferenzen (im Meeresniveau) von ausgewählten Stationsgruppen in den 8 Hauptrichtungen der
Windrose.*) Die Hann’sehen Zahlen sind auf die gleichen Strecken von 20 Aequatorialgraden, unter Vor
aussetzung eines gleichförmigen Gradienten, reduzirt.
*) Vergl. Hann: „Die Verkeilung des Luftdrucks über Mittel- und Südeuropa.“ Hölzel, Wien 1887.