Georg Wegemann: Die Oberflächen-Strömungen des nordatlantischen Ozeans nördlich von 50° N-Br
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Da er jedoch nur zum kleinen Theile dem hier betrachteten Gebiete angehört, so will ich von einer ein
gehenden Beschreibung absehen. Dasselbe gilt auch für den, dem laurentischen Randmeere entströmenden
Cabotstrom. Was den ersteren anlangt, so bewegt sich dieser mächtigste aller Meeresströme von 40° N-Br.
und 60°W-Lg. aus noch mit einer Stärke von 1'4 Seemeilen im Durchschnitt und über 90 Seemeilen im
Maximum in NE-Richtung weiter bis etwa 40° W-Lg. und 45' N-Br., in welcher Gegend er sich todt gelaufen
hat. 78 79 ) Von da ab verfolgen seine Gewässer unter dem Einfluss des Windes z. Th. den oben beschriebenen
Weg, z. Th. dringen sie ins Nordmeer ein, wo sein weiterer Verlauf von Mohn beschrieben ist. Dies ist
jedoch nur ein Tlieil des Floridastromwassers, welches in NE-Richtung fortgeführt wird. Der andere Tlieil
wird zunächst in fast E-Richtung über den Ozean getrieben, um in 25° W-Lg. zwischen 35° und 45° N-Br.
sich nach S zu wenden, an der spanisch-portugiesischen Küste entlang zum kleinsten Tlieil in das romanische
Mittelmeer fliessend, in der Hauptsache jedoch seinen Weg nach S fortsetzend’ IJ ), um als Canaren-, Aequa-
torial- und Antillenstrom seinen Kreislauf zu vollenden. Die Stromstärke dieser Trift ist zwischen 40° und
50° N-Br. sehr gering ('/ 4 — */» Seemeile im Durchschnitt). Es kann, um einem ziemlich verbreiteten Irrtlium
vorzubeugen, garnicht eindringlich genug betont werden, dass das soeben beschriebene Strombild fast nie
mals so ausgeprägt sich zeigt. Zu allen Zeiten werden lokale Strömungen vorhanden sein und das Bild
mehr oder minder verwischen. Gegenwinde, Niederschläge, Verdunstung u. a. m. werden die Strömungen,
mit Ausnahme der drei grossen Küstenströme im W, in ihrer Stärke sehr beeinflussen und aus ihrer Rich
tung ablenken oder gar umkehren. Konstruirt man dann aus den beobachteten Stromversetzungen für einen
bestimmten Monat eine Karte, so darf man nicht erstaunt sein, ein ziemlich verworrenes, unregelmässiges
System zu finden, wie es die zitirten englischen Strömungskarten zeigen. Besonders unklar sind die Vor
gänge im Busen von Biscaya 80 ), vor der Kanalmündung, wennschon sie eine ausgedehnte Litteratur hervor
gerufen haben. Dinklage hat überzeugend 81 ) nachgewiesen, dass von regelmässigen Strömungen in diesem
Gebiete absolut keine Rede sein kann, vielmehr ist es auch hier der Wind, welcher zur Hauptsache Strom
richtung und Stärke bestimmt, der aber aus allen Richtuugen fast gleich häufig wellt. Nach Dinklage
haben südlich von 46° N-Br. SW-Strömungen mit durchschnittlich 10.1 Seemeilen in 24 Stunden, im nörd
lichen Tlieil dagegen der NW-Strom mit 11.2 Seemeilen das Uebergewicht, was den von mir gefundenen
Verhältnissen entspricht. Im allgemeinen jedoch muss man die Strömungen dort als sehr wechselnd be
zeichnen, da auch andere Richtungen gleich häufig Vorkommen, so dass nichts auf eine ausgeprägte Strömung
wie die Renneiströmung deutet, trotz aller Versuche ihre Existenz nachzuweisen.
Die Stromkarte (IV) ist ein Versuch, die wesentlichen Eigenschaften der Meeresströme, nämlich Rich
tung, Stärke, Beständigkeit, Herkunft und Temperaturverhältnisse zum Ausdruck zu bringen. Die Strömung
bewegt sich in der durch Pfeile angedeuteten Richtung der Stromlinien, deren Abstand untereinander die
Stärke angiebt, so dass 1 1 4 mm (auf' der Karte) einer Seemeile pro Stunde Geschwindigkeit entsprechen;
ausserdem ist letztere noch stellenweise mit Zahlen in die Karte eingetragen. Die Länge der Stromlinien^
sowie die Unterbrechungen derselben deuten auf die Beständigkeit des Stromes hin, indem z. B. lange und
häufige Unterbrechungen sehr unbeständige Ströme — wie z. B. im Busen von Biscaya, auf der Newfound
landbank xi. s. w. — zum Ausdruck bringen sollen. Die Gegenden häufiger Stromstillen sind nach dem Vor
gänge der Deutschen Seewarte durch Kreise, sowie die Gebiete vorwiegender Gezeitenströme nach Krümmels
Vorschlag durch Flächenkolorit angedeutet. Herkunft und Temperatur des Wassers sind in üblicher Weise
bezeichnet. Schliesslich sind auch noch die Packeisgrenze und die 200 m-Linie in die Karte eingetragen. 82 )
• s ) Deutsche Seewarte: Segelhandbueh für den atlantischen Ozean, S. 377 (Tabelle).
79 ) Fürst A. von Monaco: Die Erforschung der Meere und ihrer Bewohner.
80 ) Anu. der Hydr. etc. 1875, S. 392; 1SS0, S. 491; 1S90, S. 2S3 und 374; 1895, S. 292. Ann. der Geogr. 1S95—96.
Thoulet: la Campagne du Caudan, S. 353—367.
51 ) Ann. der Hydr. etc. 1895, S. 427.
81 ) Das Nähere im Text zu den Karten.