Archiv 1899. 4.
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No. 4.
Die OMfefeB-Strfinu te urtdUilUn Ozeans Mel von 50° N-Br.
Von Ctvorg Wegrinann,
Einleitung.
Unsere Kenntniss 1 ) der physikalischen Verhältnisse des nordatlantischen Ozeans war bis in die Mitte
dieses Jahrhunderts eine mangelhafte und kann auch heute noch keineswegs als befriedigend bezeichnet
werden. Nicht etwa, dass man erst sehr spät angefangen hat, diesen Meerestheil zu befahren; hat doch
schon eine der ersten Amerikafahrten 2 ) ihren Weg durch das zu betrachtende Gebiet genommen, nämlich
die des John und Sebastian Cabot von England aus, welche im Jahre 1497 die Küste von Labrador
47° N-Br entdeckten und dann mit der ..kalten“ Küstenströmung bis etwa 38° N-Br gelangten. Schon ihr
Ziel war die Auffindung der nordöstlichen Durchfahrt, eine Aufgabe, w r elche auch fernerhin viele Ent
deckungsfahrten in diese Gegend ins Leben gerufen hat, deren Lösung jedoch unserem Jahrhundert Vor
behalten blieb. Aus der Folgezeit verdienen besonders die Fahrten Frobishers 3 ) nach Labrador 1576—78
in der Geschichte der Erforschung des nordatlantischen Ozeans Erwähnung, insofern, als er zuerst zahl
reiche Beobachtungen über Geschwindigkeit und Eisverhältnisse im Labradorstrome anstellte, hauptsächlich
aber, w r eil er den entlegenen nordöstlichen Zweig des Floridastromes (Golfstrom) nachwies und die Ver-
muthung aussprach, dass derselbe sich der norwegischen Küste entlang fortsetze.
Erst 4 ) hundert Jahre später (1673) wurde die Aufmerksamkeit auf die fremdartigen Treibprodukte
gelenkt, welche man an den Küsten Schottlands, Irlands und der Färöer fand, und deren westindische
Abkunft durch Sloane unzweifelhaft nachgewiesen wurde (1696). Als dann abermals hundert Jahre später
(1772) Pennant 6 ) seine Beobachtungen über Molukkabohnen, welche an der irischen Küste angetrieben
waren, veröffentlichte, war es vor allem Strickland, der am entschiedensten dafür eint rat, dass die nord
östlichen Ausläufer des Floridastromes sich bis Europa erstrecken müssten. Jene Treibprodukte mögen
damals wohl den Gedanken angeregt haben, einmal die Stromrichtung durch gekennzeichnete Treibkörper
zu bestimmen, etwa durch Flaschen, ein Verfahren, welches seitdem — vermuthlich zuerst von dem eng
lischen Schiff „Rainbow“ 6 ) (1802) ausgeführt — allgemeine Anwendung gefunden hat und ein wichtiges Hülfs-
mittel zur Erforschung von Stromrichtung und Stärke geworden ist. Das Problem, diese nordatlantische
Ostströmung auch in den arktischen Gebieten nachzuweisen sowie ihre Bedeutung für das Klima Europas,
hat seit den dreissiger Jahren unseres Jahrhunderts eine umfangreiche Litteratur zur Folge gehabt.
Für unsere Zwecke jedoch sind erst die Beobachtungen seit der Mitte des Jahrhunderts von Bedeu
tung, wo man anfing, mit zuverlässigen Instrumenten zu arbeiten, als die Seemächte Europas und Amerikas
begannen, durch eigene Institute eine systematische Erforschung aller Meere ins Werk zu setzen und die
gewonnenen Resultate praktisch zu verwerthen. Ihrer Thätigkeit ist in erster Linie der ungemeine Auf
schwung in der Kenntniss aller Meere, besonders aber des nordatlantischen Ozeans zuzuschreiben. Auch
mögen die Verdienste der Deutschen Seewarte hier hervorgehoben werden. Beobachtungen 1 ) über die Ver
hältnisse des Streifens zwischen 40—55° N-Br verdanken wir besonders den grossen Tiefsee-Expeditionen
des „Challenger“®) (1874—77), der „Gazelle“ 9 ) (1874—76), des „National“ 10 ) und der „Valdivia“ 11 ), sowie
zahlreiche Lothungen 12 ) und einige Temperaturserien den Kabeldampfern und Schiffen der Ilandels-
’) Annalen der Hydrogr. 1SS0. VIII. 173. *) Kohl: Geschichte des Golfstromes. S.31. •*) Kohl: a. a. O. S. 57.
J ) Petermann’s Mittheilnngen. Ergänzungsbd. 1860, S. 18 u. 19. Zeitschr. für allgemeine Erdkunde. III. 1854. S. 409.
s ) Kohl: a. a. O. S. 119. D ) Kohl: a. a. O. S. 121. 7 ) D. See warte: Segelhandhuch des atlant. Ozeans. S. 7.
s ) Challenger Reports. ■') Forschungsreise S. M. S. „Gazelle“. 10 ) Ergebnisse der Plankton-Expedition.
u ) Annalen der Hydrogr. etc. 1898. ,2 ) List of oceanic deapths and serial temperature observations. London.