Axis dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1S9S No. 5 —
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Die Reihe von Meyer bezieht sich auf nur einen Beobachter und ein allzu geschützt stehendes Anemometer;
jene von Mohn mag dadurch etwas beeinflusst sein, dass die Schätzung nicht nach 12-theiliger, sondern
nach 6-theiliger Skala erfolgte.
Bei den Vergleichsreihen vom Ozean sind die Schätzungen alle deutschen Ursprungs, da auch jene der
Waldo’schen Reihe auf einem Bremer Lloyddampfer durch dessen Offiizere gewonnen sind. So unwahr
scheinlich es ist, dass in der Anwendung der „Beaufort-Skala“ nationale Verschiedenheiten bestehen, so
wird man doch mit seinem Urtheil zurückhalten müssen, bis vom Ozean ein ähnlich grosses Material, wie
jetzt von deutschen Seeleuten vorliegt, für die Schätzungen auf englischen Schiffen gewonnen sein wird, was
hoffentlich bald der Fall sein wird. Die viel näher liegende Erwartung, dass die Schätzungen auf See etwas
niedriger ausfallen, als an Land, findet in der Tabelle keine Stütze; denn die Mittel der Reihe „Ocean“
fallen mit der Reihe „Deutsche Küste“ fast völlig zusammen, während England von Stärke 6 an abweichende
Werthe ergiebt. Freilich ist auch zu beachten, dass die geringen Geschwindigkeiten bei den höheren Wind
stärken auf dem Ozean fast gänzlich von einem und demselben Handanemometer stammen, dessen Konstanten
zwar nachträglich bestimmt sind, dessen Oelungs-Zustand aber uns unbekannt und in den letzten Monaten
der Gazelle-Reise offenbar ungenügend war. Denn die (in meiner Zusammenstellung ausgeschlossenen) Be
obachtungen nach dem 1. Januar 1876 ergaben z. B. für 5 — 6 Beaufort nur 7.5, für 7—8 Beaufort nur 9.5
wahre Windgeschwindigkeit, wenn man, ebenso wie oben, nur die beim Winde und auf stillliegendem Schiff’
angestellten Messungen berücksichtigt. Das ist für Stärke 5—6 (22 Beob.) etwa 1.3, für 7—8 (8 Beob.)
sogar 3.3 m. pr. Sek. weniger, als die Aufzeichnungen vor diesem Termin ergeben.
Bei den zahlreichen persönlichen, instrumenteilen und methodischen Fehlerquellen, mit denen alle diese
Vergleiche behaftet sind, bleibt nichts Anderes übrig, als nach deren thunlichster Elimination die wahr
scheinlichsten Normal wert he unter Benutzung aller Beobachtungen durch Mittelung abzuleiten. Geben wir
den vier Mitteln I bis IV der letzten Tabelle gleiches Gewicht, so ergiebt sich der folgende allgemeine
Mittelwerth der bis jetzt vorliegenden Vergleiche:
Beaufort-Grade: 12 3 4 5 (I 7 S 9 10
Meter pro Sekunde: 1.7 3.1 4.8 G.7 8.S 10.7 12.9 15.4 1S.0 21.0
m pr. Set. Fig. 3. Auf Fig. 3 sind diese Werthe graphisch dar
gestellt und findet sich mittels eines passend ge
wählten Kurvenlineals die Kurve über den Raum
der Beobachtungen hinaus versuchsweise verlängert.
Wir wollen indessen suchen, auch für die Wind
stärken oberhalb 10 Beaufort eine Erfahrungs-
Grundlage zu gewinnen. Das Material reicht bei
diesen zu einem Vergleich zwischen Schätzungen
und Messungen nicht aus; der Zufall würde dabei
eine zu grosse Rolle spielen. Wir müssen uns
also nach festeren Merkmalen umsehen und finden
ein solches darin, dass der Stärkegrad 12 für
Stürme mit zerstörenden Wirkungen reservirt sein
soll, denen auch solche Objekte erliegen, die nach
gewöhnlicher Voraussicht noch Jahrzehnte hätten
ausdauern sollen: bei denen also zahlreiche starke Bäume gebrochen werden, Dächer oder ganze Häuser
trotz solider Bauart demolirt werden u. s. w. Da nun jede der Stufen selbstverständlich bis zur Mitte des
Abstands von der nächsten gelten muss, so müssen bei llVa diese Wirkungen beginnen; wir wollen also
nach dem Vorgang von Herrn Knipping*) versuchen, diese Stärkestufe zu bestimmen. Für eine genauere
Unterscheidung innerhalb der Stufe 12 bietet sich genug Gelegenheit durch Worte und Beschreibung der
Wirkungen; Messungen sind natürlich höchst werthvoll, ein Bedürfniss nach ziffermässiger Bezeichnung
durch Schätzung liegt aber in diesem Falle nicht vor.
•) Knipping: Beauforts Windstärke-Skala in Metermaass, hauptsächlich nach dem „Gazelle“-Werk. Aim. der Hydr.
u. Mar. Met. 1894, S. GO.
Beaufort: 01 3 3456789 10 11