W. Koppen: Neuere Bestimmungen über das Verhältniss zwischen der Windgeschwindigkeit etc.
Die Zusammenstellungen sind grossentheils nur für bestimmte Windrichtungen ausgeführt. Reihe No. V, in
welcher die Resultate für östliche und westliche Winde des Vergleichs zwischen Holyhead und dem „Carnarvon
Bay Lightship“ vereinigt sind, wird von Chatterton selbst als die am meisten Vertrauen verdienende ange
sehen, und diese habe ich, nach Anbringung der bekannten Korrektionen, in die Tabelle aufgenommen.
Die Entfernung zwischen Anemometer und Beobachter ist indessen erheblich, 14 Seemeilen. Bei den Stärken
6—9 giebt das Falmouth-Anemometer, mit den Schätzungen auf Eddystone und Wolf Rock verglichen,
etwa um % kleinere, das von Yarmouth, bei Ostwinden mit mehreren Leuchtschiffen der Gegend verglichen,
um etwa % grössere Werthe, als die Reihe V. Herr Chatterton glaubt, dies dem zuschreiben zu müssen,
dass in Falmouth der Wind, ehe er das (übrigens hoch und frei aufgestellte) Anemometer trifft, durch die
Gebäude der Stadt theilweise gebrochen ist, in Yarmouth aber, wo das Anemometer auf dem Dache eines
grossen Gebäudes steht, das nach Osten dicht an den Strand grenzt, es bei Ostwind in einem künstlich
verstärkten Luftstrom sich befindet. Bei Westwinden giebt das Instrument, bei denselben geschätzten Wind
stärken auf den Feuerschiffen, weit geringere Werthe an, wie dies ja auch Scott gefunden hat.
In einer späteren Untersuchung hat Hr. Richard H. Curtis auch für den Anemographen auf Holyhead
eine derartige künstliche Verstärkung des Windes durch Gebäude wahrscheinlich gemacht, indem er zeigte,
das seine Angaben bei gewissen Windrichtungen mit jenen eines sehr frei aufgestellten „Pressure-tube-ane-
mometer“ übereinstimmen oder hinter diesen Zurückbleiben, bei andern Richtungen aber, welche dem Empor
werfen des Windes durch darunter befindliche Dächer günstig sind, um 10 bis 30% diese letzteren übertreffen.’ 5 )
Die gleiche Vermutliung, die von diesen Verfassern in Bezug auf Yarmouth und Holyhead mit Beweis
gründen belegt wird, ist schon in meinem oben angeführten Aufsatze in der Oesterr. Meteor. Zeitschr. 1879
auf S. 306 im Hinblick auf dieselben zwei Stationen mit folgenden Worten ausgesprochen worden: „Jedes
vom Winde getroffene Gebäude hat nämlich für die benachbarten Luftmassen die Wirkung einer Verengerung
des, theils durch feste Gegenstände, theils durch die anderen, nicht in derselben Weise beeinflussten Luft
massen gebildeten Rohres, in welchem sie strömen, und in allen Fällen, wo das Gebäude bedeutende seit
liche Erstreckung hat und die Luft dadurch nach oben ausweichen muss, wird sich über seinem Dache
oberhalb einer durch die Ablenkung des Windes fast windstillen Schicht eine solche mit beträchtlich über
das für dieses Niveau richtige Maass erhöhter Luftbewegung finden; wie hoch man das Anemometer zu er
heben hat, um über diese Schicht hinaus in unbeeinflusste Luftmassen zu gelangen, muss ganz von den
lokalen Umständen abhängen und in jedem Falle durch eine Experimental-Untersuchung bestimmt werden.
In derselben Weise, wie ein Gebäude, müssen übrigens auch steile Uferränder oder Gebirgskämme auf senk
recht gegen sie anwehende Winde wirken.“ Selbstverständlich ist dabei vorausgesetzt, dass sich das Objekt,
das vom Winde getroffen wird, erheblich über das Terrain erhebt, über das der Wind zu ihm gelangt.
Leider sind solche experimentelle Untersuchungen, wie sie hier verlangt werden, noch nirgends ausge
führt worden; es ist deshalb noch von keinem Anemometer die Aufstellung genügend bekannt. In der Dis
kussion über den in Rede stehenden Aufsatz von Curtis hat W. H. Dines (auf S. 247) das Ergebniss einiger
Versuche über die Aufstellung von Anemometern mitgetheilt; bei keiner einzigen Beobachtung seiner in
9, 18 und 39 Fuss Höhe über dem Dache aufgestellten Anemometer hat ein niedrigeres Anemometer ein
höheres an Geschwindigkeit übertroffen. Durchschnittlich hat bei den am wenigsten behinderten Richtungen
das mittlere 90%, das unterste 80% von den Angaben des obersten geliefert, bei den durch Bäume etc.
mehr behinderten Richtungen jenes 80%, dieses 70%, und zwar bei allen Windstärken denselben Prozent
satz. Es wäre höchst erwünscht, wenn derartige Untersuchungen in grösserem Umfange unter verschiedenen
Umständen durchgeführt würden.
5) Prof. Frank Waldo hat die Ergebnisse der Anemometermessungen , die er während einer Ueber-
fahrt von Amerika nach Europa vom 28. September bis zum 15. Oktober 1882 angestellt hat, mit den Stärke
schätzungen der Offiziere des betr. Dampfers verglichen, zuerst nach der alten Reduktionsmethode (Amer.
Met. Journ. Okt. 1887), danach auf meinen Vorschlag unter Zugrundelegung der gemessenen Grössen als
Argument und Anwendung der angenäherten Instrumental-Konstanten. (Meteor. Zeitschr. 1888, S. 240).
6) Prof. Mohn hat in den „Annalen der Hydrogr. u. Mar. Met.“, 1889, S. 365, eine Untersuchung über
„Windstärke und Windgeschwindigkeit auf norwegischen Leuchtfeuer-Stationen“ veröffentlicht, die auf den
) Vgl. Quart. Journ. R. Met, Soc., Bd. 22, 1896, S. 241—244.