W. Koppen: Neuere Bestimmungen über das Verhältniss zwischen der Windgeschwindigkeit etc. 3
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Lage sein, um die Windstärke für die das Anemometer bestreichende Luft schätzen zu können, aber von
den Angaben des letzteren in keiner Weise beeinflusst sein.
Andererseits muss das Anemometer ein verlässliches Instrument sein, dessen Konstanten bekannt und
richtig in Rechnung gebracht sind. Es ist eine längst bekannte Thatsache, dass die Skalen, welche die
Mechaniker an die Anemometer-Zählwerke anbringen, mit der wirklichen Windgeschwindigkeit nur in loser
Verknüpfung stellen und für Instrumente verschiedener Konstruktion verschiedenen Sinn haben. Es kann
also nicht genügen, diese Skalen der Vergleichung zu Grunde zu legen.
Wollten wir nur solche Vergleiche benutzen, bei denen alle diese Bedingungen erfüllt sind, so würde
unser Material sehr klein sein. Wir müssen aber, wie gesagt, suchen uns von den persönlichen und sonstigen
zufälligen Fehlern durch Vergrösserung des Materials zu befreien, und können dies zum Glück erreichen,
indem wir die übrigen Vergleichsreihen mit denjenigen Korrektionen versehen, die sich aus der Analogie
mit vollständiger bearbeiteten Reihen ergeben. Von diesem Verfahren ist im vorliegenden Aufsatz ausgiebig
Verwendung gemacht.
In der jüngsten über diesen Gegenstand veröffentlichten Abhandlung, jener von R. II. Curtis im Januar
heft 1897 des Quarterly Journal of the R. Met. Soc.*), ist im Anhang eine reichhaltige, wenngleich noch keines
wegs vollständige Uebersicht über die einschlägige Literatur gegeben. Ein grosser Theil der aufgeführten
Skalen beruht aber nicht auf wirklichen Vergleichen, sondern auf allerlei Ueberlegungen und vagen Ver
muthungen, bei denen dem persönlichen Geschmack weiter Spielraum gewährt und eine Kritik der Grund
lagen unterlassen wurde. Viele sind auch nur ungenaue oder nach Gutdünken abgeänderte Abschriften
älterer Aufstellungen.
Wir wollen uns hier darauf beschränken, nur die sicher auf grösseren Reihen von Vergleichen zwischen
Messung und Schätzung beruhenden Umsetzungen zwischen der 1‘2-theiligen Skala und den Anemometer-
ängaben aneinander zu reihen und sie zunächst kurz zu charakterisiren.
1) R. H. Scott hat im Quart. Journ. Met. Soc., Bd. 2, S. 112, im Jahre 1875 die erste solche Ver
gleichung durchgeführt, und zwar aus Anlass der Leipziger meteorologischen Konferenz vom Jahre 1872
und mit Unterstützung von Fr. Gaster. Es wurden hierbei zuerst 483 Stärkeschätzungen auf dem Leucht
thurm des Hafendamms, von Holyhead mit den Angaben des Anemometers an demselben Gebäude in den
betreff. Stunden verglichen und hierauf von Yarmouth einige hundert Itegistrirungen bei östlichen Winden
hinzugezogen, welche mit den Schätzungen auf einem 1.7 Sm vom Anemometer entfernten Leuchtschiff ver
glichen wurden. Die Vergleiche bei westlichen Winden ergaben viel geringere Anemometergeschwindigkeiten,
wurden aber verworfen, offenbar in der Annahme, dass das Anemometer bei ablandigen Winden viel mehr
durch das Land geschützt sei, als das Leuchtschiff. In dieser wie in den folgenden Diskussionen über den
Gegenstand im Quart. Journ. R. Met. Soc. wird zwar stets nur die Aufstellung des Anemometers eingehend
besprochen, allein es ist klar, dass bei den Vergleichen nur die Unterschiede zwischen der Lage des
Anemometens und jener des Beobachters, resp. der Objekte, nach denen er schätzt, entscheidend sind.
Gesetzt, es seien beide in gleicher Weise von der Oertlichkeit beeinflusst, so wäre die Forderung einer
durchaus freien Lage für das Anemometer überflüssig, falls nicht der Beobachter sein ganzes Leben in
diesen selben Lokalverhältnissen zugebracht hat und in Folge davon seine Schätzungen nicht der Forderung
2 entsprechen. Zeigt aber der Vergleich für verschiedene Windrichtungen ein wesentlich verschiedenes Ver
hältniss zwischen Schätzung und Messung, so ist die Beeinflussung verschieden und ist der Vergleich wohl
besser überhaupt zu verwerfen.
Bei Falmouth ergiebt sich dieser Unterschied nicht, und da auch die Zahl der benutzten Beobachtungen
weitaus am grössten ist — 4674 — so würden diese Vergleiche am meisten Gewicht beanspruchen können,
wenn der Ort der Schätzungen — Eddystone — nicht 30 Sm vom Anemometer entfernt wäre. Für die
gleichen Beaufort-Grade giebt Falmouth etwa um 20% kleinere Windwege, als Holyhead; für die Ableitung
der Skala hat Scott diese Vergleiche nicht benutzt.
Die Skala von Scott ist in die Beobachtungs-Instruktion des Meteorological Office im Jahre 1875 auf-
genömmen, jedoch ausdrücklich als „merely provisional“. Dennoch behauptet sie sieh auch jetzt in den
meisten Lehrbüchern mit grosser Zähigkeit. Abgesehen von der Schwäche ihrer Beobachtungs-Grundlage
beruht sie aber auf der entschieden falschen Annahme des Instrumental-Faktors 3 für die angewandten
*) R. H. Curtis: An attempt to determine the Velocity Equivalents of Wind Forces estimated by Beauforts Scale.