Archiv 1S9?. 5.
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No. 5.
Neuere Bestimmungen über das Verhältnis zwischen der
Windgeschwindigkeit und Beaufort s Stärkeskala.
Von Prof. W. Koppen.
Nicht allein die verhältnissmüssigc Kostspieligkeit und Ivomplizirtheit der Anemometer, sondern auch
die Schwierigkeit, sie vergleichbar aufzustellen, bedingt es, dass exakte Messungen der Windgeschwindigkeit
noch auf lange hinaus nicht auf eine ähnliche Verbreitung rechnen dürfen, wie sie diejenigen der Luft
temperatur und des Luftdrucks längst erreicht haben. Zur Verfolgung dieses für die Mechanik der Atmo
sphäre ungemein wichtigen Elements über grosse Flächenräume hinweg können wir also der Schätzungen
nicht entbehren, und die Uebersetzung der dabei benutzten willkürlichen Skalen in wirkliche Geschwindig
keiten der Luftbewegung ist daher eine Frage von nicht geringer Bedeutung für die Meteorologie.
Entgegen dem, was man erwarten möchte, ist die Unsicherheit der Schätzungen nicht die grösste
Schwierigkeit für eine solche Uebersetzung. Denn die tägliche Erfahrung, namentlich an synoptischen
Karten, zeigt, dass auf offener See und an den Küsten, wo die Menschen gewohnt sind auf den Wind zu
achten, die Stärkeschätzungen der meisten Beobachter auffallend gut iibereinstimmen und die „persönlichen
Fehler“ relativ gering sind; natürlich finden sich immer einzelne Beobachter, die durchweg niedriger oder
höher schätzen, als das Gros, aber diese sind nur vereinzelt. Die unbewussten Ueberlegungen, die zu der
Wahl eines gewissen Stärkegrades einer gegebenen, z. B. 12-theiligen, Skala für den augenblicklichen Wind
führen, vollziehen sich bei den meisten Menschen, die viel mit dem Wind zu thun haben, nach einiger
Hebung offenbar sehr gleichförmig.
Die Schwierigkeiten lagen bisher mehr in der Reduktion der Anemometer-Angaben und in ihrem richtigen
Vergleich mit den Stärke Schätzungen. Vor 1875, wo die erste auf einigermaassen ausgedehntem Material
von regelmässigen Wind-Messungen und -Schätzungen beruhende Vergleichung veröffentlicht wurde, lagen
nur einige mehr oder weniger willkürliche Aufstellungen*) über das Verhältniss zwischen geschätzten Stärke
graden und Windgeschwindigkeiten vor, die zum Theil um mehr als 100°/o auseinander gingen. Aber auch
nach dem Erscheinen der eben erwähnten Vergleichung von Scott wurde die Feststellung richtiger Werthe
durch zwei Umstände sehr erschwert: (1) die Unkenntniss über die wirklichen Skalengrössen der betreffenden
Anemometer, deren Graduirung unter der Herrschaft der ltohinson’schen Annahme (Faktor 3:1) erfolgt war,
und (2) Fehler in der Methode der Zusammenstellung; als drittes Ilinderniss muss man noch die bekannte
Zähigkeit hinzufügen, mit der sich einmal in populäre oder Lehr-Bücher übergegangene Zahlen behaupten,
auch wenn sie noch so unbegründet sein mögen. Im Laufe der letzten Jahre sind indessen jene beiden
ersten Umstände so ziemlich aus dem Wege geschafft und es liegt nunmehr eine beträchtliche Reihe von
Bestimmungen vor, welche gut übereinstimmen, so dass der normale Geschwindigkeitswerth von Beauforts
Skala — denn auf diese beziehen sich fast alle die Untersuchungen — für die häufigeren Grade (2 bis 6 Beauf.)
bis auf einige Zehntel-Meter sicher bestimmt ist, und nur für die Umwerthung der höchsten und niedrigsten
Stufen noch immer eine gewisse Unsicherheit besteht.
•) „Until recent years the scales published were simply so much nonsense“ hat Fr. Gaster nicht mit Unrecht kürzlich
geäussert (Quart. Journ. R. Met. Soc. 1897, p. 58).