Dr. Grossmami: Die Stürme und die Sturmwarnungen an der deutschen Küste in den Jahren 1SS6/95
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wesentlich aus der leichteren Prognostizirung der den Westen treffenden Stürme; zu beachten dürfte jedoch
auch sein, dass bei den von Westen hcranziehenden Stürmen die Nordsee, als der zunächst exponirte Tlieil
der Küste, in erster Linie eine Warnung erhalten wird, die sich hei der weiteren Entwicklung der Phänomene
in vielen Fällen als verfehlt herausstellen und somit für die übrigen Küstentheile keine Warnung im Gefolge
haben wird.
Schlussbetrachtungen.
Dass das hier vorliegende, mit früheren in Einklang stehende, Resultat des geringeren Sturmreichthums
der Ostsee im Vergleich zur Nordsee wegen der gegentheiligen Ansicht der Seeleute nach wie vor Zweifeln
begegnen werde, wird nach den Erfahrungen der Meteorologie zu erwarten sein. Es steht jedoch durchaus
im Einklang mit den Erfahrungen im Sturmwarnungsdienst und muss deshalb als unbedingt richtig erachtet
werden, bis das Experiment in überzeugender Weise das Gegentheil nachgewiesen haben sollte, was indessen
kaum zu erw r arten sein dürfte. Einwände, wie beispielsweise, dass die Beobachter an der Ostsceküste die
Windstärken durchschnittlich niedriger schätzten als die der Nordseeküste, weil sie im allgemeinen weniger
Fahrt auf den Ozeanen aufzuweisen hätten, dürften doch erst als richtig zu erweisen sein.
Nach unseren Darlegungen nimmt der Sturmreichthum im allgemeinen von der mittleren Ostsee, der
Insel Rügen und Umgegend, nach Westen und Osten und besonders stark nach der Nordsee hin ab, wo er
am geringsten ist. Jene mittleren Theile der Ostsee werden von den von Westen kommenden und den
Stürmen der östlichen Ostsee meist getroffen und sind darum am sturmreichsten; auf sie entfällt auch der
grösste Theil der Sturmwarnungen.
Die Untersuchung hat ferner gezeigt, dass man zu einer richtigen Würdigung des Erfolges der Sturm
warnungen nur gelangen kann, wenn man gleichzeitig auf die rechtzeitig gewarnten Sturmtage oder Sturm
phänomene und auf die Sturmwarnungen hasirte Trefferprozente heranzieht. Diese beiderlei Erfolgziifern, der
Sturm- und der Signalerfolg ergänzen sich gegenseitig.
Auf Sturmtage basirte Trefferprozente ergaben für die Monate Mai bis August meist wenig befriedigende,
dagegen für die übrigen Monate meist befriedigende Resultate, besonders unter Berücksichtigung der ver
schiedenen Sturmstärken, indem gezeigt werden konnte, dass die schwereren Stürme der grossen Ueberzahl
nach rechtzeitig gewarnt worden sind. Für die Stürme der westlichen Quadranten war der Erfolg erheblich
grösser als für die Ostseite der Windrose.
Günstigere Resultate zeigten die auf die Sturmwarnungen direkt basirten Trefferprozente und besonders
in der warmen Jahreszeit, für die die Zahl der rechtzeitig erlassenen Warnungen auch durchweg 50°/o überstieg.
Im allgemeinen stellte sich für die kalte Jahreszeit hei weniger günstigem Erfolge nach der Zahl der
rechtzeitig gewarnten Sturmtage ein günstigerer Erfolg nach der Zahl der rechtzeitigen Warnungen und umge
kehrt heraus, bedingt durch die gegensätzliche Vertheilung der verfehlten Warnungen ohne nachfolgenden Sturm
und der Sturmtage ohne rechtzeitiges Signal. Der grössere Erfolg nach Stunntagen kommt dem Westen,
nach Warnungen jedoch dem Osten zu; dafür haben wir hier mehr ungewarnte und verspätet gewarnte
Stürme gegenüber der grösseren Zahl der Fehlwarnungen ohne nachfolgenden Sturm an der Nordsee.
Die scheinbare Verschiedenheit der Handhabung des Sturmwarnungsdienstes, die hier hervortritt, er
klärt sich aber, wie dargelegt werden konnte, der Hauptsache nach durch den grösseren Grad der Schwierig
keit, den die rechtzeitige und sichere Prognostizirung der Stürme der warmen Jahreszeit und in der kalten
Jahreszeit die Voraussage der spezifischen Ostseestürme, im Vergleich mit der Vorausbeurtheilung der Ge
samtheit der Stürme der kalten Jahreszeit, sowie der in dieser Jahreszeit auch über die Nordsee ausgebreiteten
Stürme bereitet.
Eine geringere Bedeutung kommt dem Mangel des Abend-Sturmwarnungsdienstes in den Sommermonaten
zu, wenngleich ein solcher die Zahl der rechtzeitigen Warnungen etwas erhöht haben würde.
Ebenso hat die Lage der Sturmwarnungsstelle an der Nordsee für den Gegensatz der Sturmwarnungen
des Westens und Ostens keine schwerwiegende Bedeutung, wenn auch in dieser Beziehung den Sturmwarnungen
des Westens der Vortheil zu gute kommt, dass die Sturmwarnungsstelle über die Aenderungen des Luftdrucks
und des Wetters hier besser unterrichtet ist und aus der Beobachtung des Wolkenzuges wie besonders der
Winde gelegentlich einen sichereren Anhalt für die Sturmprognose gewinnen kann. Eine öftere Bericht-