Dr. C. Kassner: Untersuchungen itber die Bewölkungsverhältnisse von Tiflis.
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der Temperatur beeinflusst. Dagegen zeigt die Phase bei der halbtägigen Oscillation vom März bis zum
Oktober, also während des grössten Tlieils des Jahres hindurch, eine bemerkenswerthe Konstanz; auch die
Monate Dezember bis Februar stimmen im grossen und ganzen befriedigend überein, während der November
eine auffällige Ausnahme bildet.
Will man die Ursachen des täglichen Ganges der Bewölkung erforschen, so darf man vor allem den
Einfluss der besonderen Ortslage nicht übersehen, der bei einer Station, welche wie Tiflis in einem mehr
oder weniger weiten Gebirgsthale liegt, sehr ins Gewicht fällt. Im Norden der Kaukasus und im Süden das
armenische Hochland erheben sich beide mehr als 2000 m über die Thalsohle bei Tiflis und bilden so
Mauern, welche nordöstliche und südwestliche Winde fast völlig abschneiden. Herr Rykatschew fand für
die Jahre 1845—47 und 1852—84 aus dreimal täglichen Beobachtungen folgende Windvertheilung : 32 )
N
NE
E
SE
S
SW
w
NW
Stille
Winter .
. 7.6
2.2
5.4
10.1
1.6
0.7
2.7
31.5
38.1
Frühling
. 8.9
2.7
6.1
17.0
4.3
1.6
1.8
29.1
28.5
Sommer.
. 11.6
3.7
4.7
15.2
4.9
1.7
2.2
32.2
23.7
Herbst. .
. 7.9
2.1
4.9
14.8
4.1
1.2
1.8
25.5
37.7
Jahr....
. 9.0
2.7
5.3
14.3
3.7
1.3
2.2
29.6
32.0
Schon aus diesen Zahlen kann man die eingangs geschilderte, von NW nach SE verlaufende Streichungs
richtung des Tiflis-Thäles deutlich erkennen. Während des grössten Theiles des Jahres und Tages herrschen
nordwestliche Winde vor, die vom Schwarzen Meere herkommen und einen Theil ihres Feuchtigkeitsgehaltes
in dem Riongebiete absetzen, 33 ) andererseits aber in dieser sehr feuchten Gegend selbst wieder Wasserdampf
aufnehmen können; nur im Frühjahr bis Herbst überwiegen um die Mittagszeit die Südostwinde. 34 )
Genauere Untersuchungen über den täglichen Gang der Windrichtung und Stärke, wie auch der anderen
Elemente liegen für Tiflis leider nicht vor, aber selbst wenn es der Fall wäre, würde man doch der Auf
zeichnungen einer möglichst nahegelegenen Gipfelstation nicht entbehren können, zumal die Lage von Tiflis
zwischen zwei Gebirgen einerseits und zwei Meeren andererseits die Einsicht in die gegenseitige und Ge-
sammtwirlcung der meteorologischen Elemente aufs äusserste erschweren muss. Man kann vor der Hand
nur im allgemeinen sagen, dass durch die Abkühlung der untersten Luftschichten in der Nacht und die da
durch bedingte Zunahme der relativen Feuchtigkeit stratusartige Wolken und Nebel vorzugsweise nachts
entstehen werden mit einem Maximum am Morgen, da nunmehr die aufgehende Sonne die Luft aufs neue
erwärmt und damit vom Sättigungspunkt mehr und mehr entfernt. Im Laufe des Vormittags nimmt die
Temperatur mit steigender Sonne zu, die erwärmte und dadurch leichter gewordene Luft strebt in mehr
oder weniger grossen Massen nach oben und erzeugt so die Kumuli, wodurch naturgemäss die Kurve des
Bewölkungsgrades aufs neue einen Aufstieg erhält, der in den ersten Nachmittagsstunden sein Maximum,
das zweite der ganzen Kurve, erreicht. Denn inzwischen neigt sich die Sonne ihrem Untergange entgegen,
die Erwärmung hört auf, der aufsteigende Luftstrom verliert seinen Antrieb und es tritt nunmehr ein Sinken
und Auflösen der Kumuli und damit das zweite Minimum der Kurve ein. Infolge der geringeren Bewölkung
macht sich jetzt wieder die Ausstrahlung geltend, sodass bei Temperaturumkehr Nebel und Stratus zur
langsamen Entwicklung gelangen.
Diese allgemeinen Züge kann man in allen zwölf Monatskurven wieder erkennen, nur dass natürlich
das Bild mit der fortschreitenden Jahreszeit entsprechende Aenderungen zeigt. Im grossen und ganzen
sehen wir ein Maximum und ein Minimum im Winter, im Sommer deren je zwei. Dass das winterliche Maxi
mum frühmorgens durch die Nebel beeinflusst wird, lehrt die folgende Tabelle, in welcher die Nebeltage der
Jahre 1871—95 nach der Tageszeit des Auftretens des Nebels geordnet sind:
32 ) Vergl. Anm. Es ist hier das Mittel der Gesammtreihe genommen worden, da seit 186?, d. h. seit der Verlegung
des Observatoriums, die Windstülen so stark gewachsen sind, dass die Windvertheilung aus den Jahren 1863—84 allein
nicht scharf genug hervortritt. Die mittlere Windrichtung ist in der alten Keihe die gleiche wie in der neuen.
33 ) Woeikoff, liegenfall des südwestlichen Transkaukasien. Met. Zeitschr. 11, 412—417, 1894.
34 ) Woeikoff, Die Klimate der Erde II, 1, 202: „Tiflis liegt in einem trockenen Thale zwischen zwei Meeren, daher
bildet sich eine tägliche Luftzirkulation, analog den Land- und Seewinden.