Archiv 1896. 3.
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No. 3
Tafeln für die Vorausberechnung der Sternbedeckungen.
Von Dr. Carl Stecher!,
Assistent der Abtheilung IV der Deutschen Seewarte.
Ueber die Einrichtung der Tafeln.
§ 1. Einleitung.
Von den in der Nautik üblichen Methoden der Längenbestimmung, welche sich auf die Bewegung des
Mondes gründen, liefern ohne Zweifel die Sternbedeckungen die zuverlässigsten Resultate; ausserdem besitzt
diese Methode vor anderen den Vorzug, dass die Beobachtung selbst leicht ausführbar ist und dass die Re
duktion eine geringe rechnerische Mühe erfordert. Einer häufigen Anwendung steht aber der Umstand entgegen,
dass Stembedeckungen, welche mit Fernrohren mit massiger Lichtstärke beobachtet werden können, ziemlich
seltene Phänomene sind. In der nautischen Praxis, wo häufige, wenn auch weniger scharfe Längenbestim
mungen nothwendig sind, wird aus diesem Grunde die genannte Methode niemals die Methoden der Zeit
übertragung, der Monddistanzen und der Mondkulminationen ersetzen können. Die Vorzüge der ersteren
Methode rechtfertigen aber jedenfalls die Mahnung, dass sich der Seemann schon zu Anfang jeder Reise
ein Verzeichniss der an Bord zu beobachtenden Sternbedeckungen aufstellen möge, um keines dieser für
die Längenbestimmung werthvollen Phänomene unbenutzt vorübergehen zu lassen.
Es dürfte aber die Beachtung der Stembedeckungen noch aus einem zweiten Grunde, welcher mit
folgenden Worten in dem von der Direktion der Seewarte herausgegebenen „Segelhandbuche für den Stillen
Ozean“, Seite 373, erwähnt wird, für den Seemann von Interesse sein. „Es soll nicht unterlassen werden,
an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, dass es im Gebiete des südlichen Stillen Ozeans immer
noch an einer genügenden Anzahl sorgfältig ausgeführter Positions-Bestimmungen fehlt, und dass besonders
die vorhandenen Längenbestimmungen sehr häufig um erhebliche Beträge von einander abweichen. Der in
der Südsee fahrende Kapitän würde deshalb durch gelegentliche sorgfältige Bestimmung hervortretender
Küstenpunkte nutzbringend für den weiteren Kreis seiner Berufsgenossen wirken können. Die Seewarte
erbietet sich gern, ein derartiges Beobachtungsmaterial zu sammeln und in geeigneterWeise zur Veröffent
lichung zu bringen. — Besonders möge hier auf die für solche Zwecke immer noch nicht genügend aus
genutzte Methode der Längenbestimmung durch Beobachtung von Sternbedeckungen hingewiesen werden.
Diese Methode bildet zwar im allgemeinen für die nautische Praxis kein wesentliches Hülfsmittel, weil die
jenigen Bedeckungen, welche man mit Fernrohren von massiger Lichtstärke beobachten kann, nicht sehr
häufig stattfinden. Immerhin werden durchschnittlich jährlich etwa 4 bis 5 derartige Phänomene an jedem
Orte zu beobachten sein. Die Resultate, welche sich aus der Beobachtung von Sternbedeckungen ergeben,
besitzen gegenüber den durch Monddistanzen gewonnenen einen sehr hohen Zuverlässigkeitsgrad. Man kann
im allgemeinen wohl annehmen, dass die geographische Länge eines Ortes durch dreimalige sorgfältige Be
obachtung von Sternbedeckungen stets innerhalb der Zeitsekunde genau ermittelt werden kann. — Es soll
deshalb hier der Vorschlag gemacht werden, dass der Kapitän, welcher in der Längenbestimmung eines
Hafenortes einen bedeutenden Fehler vermuthet, die Hafenbehörde hierauf aufmerksam machen und ihr
gleichzeitig angeben möge, wann während der nächsten Monate Sternbedeckungen stattfinden. Diese Beob
achtungen werden selbstverständlich nur dann brauchbare Resultate ergehen, wenn sie von einem mit der
Schätzung kleiner Zeitgrössen vertrauten Beobachter ausgeführt werden. Die Hafenbehörde würde deshalb