E. Engelenburg, C. I.: Aerodynamische Theorie der Gewitter.
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ist eine der allgemeinsten Mittel zur Elektrizitäts- Erregung. Grosse Feuchtigkeit zusammen mit plötzlich
eintretender dynamischer Abkühlung verursacht liegen, also liegt es auf der Hand, als Elektrizitätsquelle
zu betrachten: Reibung der Wassertropfen und Eistheilclien an Luft und Staubtheilchen respektive Wasser.
Wie haben wir uns diese zu denken'? Ein rohrförmiger Wirbel mit kreisförmigem Durchschnitt, welcher
überall gleich gross ist, rotirt in einer ideellen Flüssigkeit, wie ein fester Körper um seine Achse. Im Inneren
des Wirbels findet also keine oder nur geringe Reibung statt. Um so grösser ist sie dagegen ausserhalb
des Wirbels und zwar der Hauptsache nach in der unmittelbaren Umgebung des Wirbels. Der Blitz wird
also da zustande kommen, wo die feuchte, auf kurzer Strecke mitgewälzte Luft nach dem Experimente
Ba 11 -Yeates zurückbleibt, d. h. hinten und oben. Man soll überdies dabei bedenken, dass vorne und
unterhalb des Wirbels Regentropfen fehlen oder nur spärlich vorhanden sind. Die Beobachtungen sind
damit in Uebereinstimmung. Bei dem Herannahen einer Böe blickt man über grössere Länge gegen die
Vorderseite des Wirbels an, und diese bildet den tiefsten Punkt der Gewitterformation. Also ist die ganze
Erscheinung von dem Wirbel verdeckt und das Gewitter bricht jäh mit voller Wucht los, wenn der Wirbel
durch den Zenith geht. Natürlich ist im Dunkeln die Beobachtung einiger Blitze nicht gänzlich aus
geschlossen. Ganz anders bei den Wärmegewittern. Der vordere Rand der Gewitterwolken ist der höchste,
und diese senken sich allmählich. Der Beobachter blickt also beim herannahenden Wärmegewitter unten
gegen den Komplex der Wirbelbruchstücke, zwischen denen die Elektrizitäts-Erregung zustande kommt.
Das Herannahen eines Sturmgewitters kann gar nicht beobachtet werden, weil die Wirbelung, welche man
sozusagen im Querschnitt beobachtet, von der niedrighängenden Wolkenmasse ganz verdeckt ist und dabei
äusserst schnell zustande kommt und abstirbt. Die Wirbel bei Böen und Sturmgewittern liegen jedoch
tiefer und bei letzteren kommt die untere Seite am schnellsten und kräftigsten zur Ausbildung. Das grösste
Potentialgefälle kommt also bei beiden nahe der Erdoberfläche vor, dagegen sind bei den Wärmegewittern
die Spannungs-Differenzen in den Wolken zwischen den verschiedenen Wirbeln beträchtlicher. Hieraus er
klärt sich die relativ grössere Gefährlichkeit der Wintergewitter und Böen mit ihren meist vertikalen Blitzen
im Gegensätze zu den Wärmegewittern mit ihren meist horizontal sich schlängelnden Blitzen. Die Gefähr
lichkeit letzterer wird verursacht von der grösseren und länger dauernden Elektrizitäts-Erregung.
Dass in der Tliat Reibung der Wassertropfen an der Luft Elektrizität erregt, ist durch die allerletzten
Untersuchungen Elster’s und Geitel’s über den elektrischen Zustand der Luft in der Nähe von Wasser
fällen klargemacht. Der Vergrösserung der elektrischen Spannung durch die herabfallenden Wassertropfen,
analog der Wirkung des Thomson’schen Tropfenkollektors, wie von denselben Physikern als in Gewitter
wolken vorhanden angenommen wird, ist dabei sehr wahrscheinlich. Man ist manchmal in der Lage zu be
obachten, wie ein kräftiger Blitz mit einem intensiveren Regenguss zusammengeht. Für den einzelnen Be
obachter ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, anzugeben, welcher der beiden Erscheinungen Blitz oder
Regen vorangeht. Die synoptische Yerfolgungsweise mittelst Regenfronten und Isochronen hat uns aus den
niederländischen Beobachtungen gelehrt, dass die Regenfronten bei einem in Bildung begriffenen Gewitter
den Isobronten vorangehen, mit anderen Worten, in Uebereinstimmung mit der Theorie, dass die elektrische
Entladung auf Regenbildung folgt, also vermuthlich mit Hilfe letzterer zustande kommt.
Neben der hier gegebenen Vorstellung der Elektrizitäts - Erregung ist auch die von Sohncke hervor
gehobene Reibung der Hagelkörner und Eistheilchen an den Wassertropfen in einigen Fällen als zweite
Quelle möglich. Sie kann jedoch nicht die erste und einzige sein, weil viele Gewitter ohne Hagel auftreten,
z. B. die heftigen Tropengewitter, und die Annahme, dass der Hagel in geschmolzenem Zustande herunter
kommen würde und also die grossen Regentropfen verursacht, ist nicht einwandfrei. Es sind letztere mehr
als Folgen des Zusammenfliessens der Tröpfchen unter Einwirkung der Elektrizität zu erklären. Weiter ist
noch zu bemerken, dass die Cirrus- oder Eisschicht vorangeht ohne jede elektrische Erscheinung.
Hagelschlag tritt immer als Begleiter heftiger Gewitter auf. Es ist bereits auseinandergesetzt, wie die
lokal grössere Elektrizitäts-Erregung in einem Wirbel eine Folge der grösseren Rotations-Geschwindigkeit
ist. Es tritt hierbei noch ein zweiter Umstand auf. Die Wirbelachse entlang ändert sich der Querschnitt
in Grösse und möglich auch in Form. Es mag also Vorkommen, dass die Wirbelgeschwindigkeit in ver
schiedenen Querschnitten vei-schieden ist. Es findet also auch Reibung in dem Wirbel statt. Die Theilchen
des einen Querschnittes oder bei den Wärmegewittern verschiedener Wirbel bewegen sich am benachbarten
vorüber, wie bei dem Duplikator von Nicholson oder der Holtz’schen Induktions-Elektrisirmaschine. Hier
ist eine neue reichlich fiiessende Elektrizitätsquelle vorhanden, die am ergiebigsten ist, wo sich der Quer