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Full text: 19, 1896

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E. Engelenburg, C. I.: Aerodynamische Theorie der Gewitter. 
Vermehrung, theils durch das Zustandekommen ganz neuer Erklärungsversuche, theils durch Wiederbelebung 
und Umarbeitung der älteren. Die früheren Hypothesen erkennen der Elektrizität der Luit ausschliesslich 
einen terrestrischen Ursprung zu. Vielleicht ist es auch Mühry zu verdanken, der auf den Verband zwischen 
Gewitter und der Sonne aufmerksam machte, dass einige der jetzt folgenden Hypothesen die Quelle der 
Luftelektrizität nach der Sonne verlegen. Die Zahl der neuen Hypothesen wächst in den ersten nach 1871 
folgenden Jahren sehr schnell, erreicht ein Maximum ungefähr in den Jahren 1883 — 85, um dann rasch 
wieder zu sinken, also scheinbar eine Abnahme in dem Interesse für Gewitter kundgebend. 
Es dürfte für diese Erscheinung noch eine andere Ursache als jene nach Mühry’s Aufsatz angegeben 
werden. In der That werden wir auch nicht weit fehlgreifen, wenn wir diesen schnellen Zuwachs und Abfall in 
der jährlich entstandenen Zahl der Gewittererklärungen noch zwei anderen sehr auseinander liegenden Ursachen 
zuschreiben: 1) der menschlichen Eitelkeit, 2) dem Aufschwung der modernen Meteorologie. In Bezug auf 
die erstere Ursache sei erinnert, dass die Académie des Sciences zu Paris für das Jahr 1882 und 
zum zweiten Male für 1885 eine Preisaufgabe ausgeschrieben hatte, welche lautet: „Rechercher l’origine de 
l’électricité de l’atmosphère et les causes du grand développement des phénomènes électriques dans les 
nuages orageux“. Nicht weniger als 19 Antworten waren eingelaufen, unter denen auch Edlund’s Hypo 
these, welche gekrönt worden ist, unerachtet der Erklärung der Akademie, dass trotz der Genialität des 
Grundgedankens seine Hypothese nicht geeignet ist. vom heutigen Standpunkte der Naturwissenschaften das 
grossartige Naturphänomen ganz zu erklären. 
In Betreff der zweiten Ursache sei darauf hingewiesen, wie die meist neu errichteten meteorologischen 
Institute ihre jugendlichen Kräfte anstrengten, die Meteorologie, von welcher Air y noch kurz vorher er 
klärt hatte „meteorology is not a science“, in die Reihe der exakten Wissenschaften aufzunehmen. Dieses 
erneute Interesse an den atmosphärischen Erscheinungen rief in den verschiedenen Ländern die speziell der 
Gewitterforschung gewidmeten Dienste ins Leben. In dieser Weise ward der erste gute Schritt zur Lösung 
des Problems gethan. Es muss uns jetzt wundern, wie ein ganzes Jahrhundert hindurch Hypothesen auf 
Hypothesen gethiirmt sind zur Erklärung eines Naturphänomens, das man als solches nicht kannte und 
nicht zu kennen versuchte, denn die mit grosser Ausdauer angestellten Beobachtungen der atmosphärischen 
Elektrizität konnten für sich allein nur wenig zur Erklärung einer ganz anderen Erscheinung: das Gewitter, 
beitragen. Diese höchst mangelhaften Kenntnisse sind auch Ursache, dass die ersten Hypothesen ohne 
Ausnahme eine Erklärung der Elektrizität (sei es blos der atmosphärischen oder der Gewitter oder beider) 
bezwecken, anfangs auf transscendente Gründe, später auf terrestrische (Verdampfung, Kondensation, Pflanzen 
wachsthum etc.) zurückgreifend. Die neue Aera nach 1870 beginnt mit kosmischen Theorien, welche entweder 
den Erdmagnetismus oder eine elektrische Ladung der Erde, von ihrer Urbildung herstammend, oder den elek 
trischen Zustand der Sonne als Ausgangspunkt wählen. Die Mehrzahl der Theorien hat dabei eine doppelte 
Grundlage, eine rein physikalische und eine meteorologische; durch die letztere giebt sich der Einfluss der 
jugendlichen Meteorologie kund. Die Quelle der Elektrizität ist nach diesen Theorien: Reibung oder Kontakt, 
zwei auf experimentellem Wege gefundene unleugbare Elektrizitätserreger, und auf diese Weise verlassen 
die meisten der Erklärungsversuche das ausgedehnte Feld der Hypothese, um in das engere der Theorie 
überzutreten. Bei diesen Theorien ist es von Belang zu prüfen, wie die physikalischen Wirkungen auf die 
meteorologischen Erscheinungen zurückgeführt werden, welche Körper sich aneinander reiben oder in Kontakt 
kommen und auf welche Weise diese Vorgänge entstehen. Mühry hatte auf die enge Verbindung zwischen 
Gewitter und Insolation hingewiesen, eine Thatsache, von welcher jeder durchdrungen ist, weil die Gewitter 
am häufigsten in den Tropen sind und in höheren Breiten während der Sommermonate. Intensive Bestrah 
lung durch die Sonne veranlasst Aufsteigung der an der Erdoberfläche erwärmten Luft, und so kann es 
nicht Wunder nehmen, dass dieser aufsteigende Luftstrom in den meisten Theorien nicht nur den Ausgangs 
punkt bildet, sondern dass ihm auch der alleinwirkende oder überwiegende Einfluss zugeschrieben wird. Je 
nachdem die Gewitter eifriger und genauer studirt worden sind, um so deutlicher ist es geworden, wie 
wenig dieses grossartige Naturphänomen bekannt ist. Mit Hilfe der synoptischen Methode und der fort 
während verbesserten kontinuirlich registrirenden Instrumente sind nach und nach zahlreiche interessante 
Nebenerscheinungen entdeckt oder hervorgehoben worden. Das Problem zeigte neben der physikalischen Seite 
eine mehr und mehr in den Vordergrund rückende mechanische Seite. Je mehr unsere Kenntnisse von den 
Gewittern sich mehrten, je deutlicher ward es, dass auch die allerletzten Theorien, weil sie den Nebenerschein 
ungen nicht genügend Rechnung tragen, unhaltbar sind. Die Theorien von S o h n ck e, Ferrel, And ries und 
Archiv 1S96- 4. 
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