16
Aus tlem Archiv der Deutschen Seewarte — 1S96 Nr. 4 —
welche während des Gewitters beobachtet werden. Hieraus erklärt de Marchi, weshalb nicht alle Baro
meterstörungen von Gewittern begleitet sind, selbst dann, wenn sie ziemlich gross sind. Zuletzt zeigt er,
wie einige von F e r r a r i auf empirischem Wege gefundene Gesetze auch aus seiner Theorie hervor
gehen.
Es scheint, als ob der Fehler dieser Theorie sich in der Prämisse versteckt hält. Ausserdem ist die
Veranlassung des Gewitters wenig in Uebereinstimmung mit den Beobachtungen und a posteriori sind auch
viele der Schlussfolgerungen mit den Tliatsachen in Widerspruch, z. B. sollen Barometerstörungen ohne Ge
witter sich schneller fortpflanzen, als die mit Gewitter; die Beobachtungen scheinen eher das umgekehrte
anzudeuten.
II. Historischer Ueberblick der Resultate der Gewitterforschung
Aus der vorangegangenen Skizze der Gewittererklärungen geht hervor, wie die meisten Hypothesen
ausschliesslich oder der Hauptsache nach nur den Ursprung der Elektrizität zu entdecken versuchen, be
sonders ist dies mit den älteren, vor 1870 datirten der Fall. Anfangs war auch wenig mehr als die elek
trische Natur des Blitzes bekannt. Doch liegt die Vermuthung nahe, dass einige Nebenerscheinungen nicht
der Aufmerksamkeit entgangen sein können. So ist es selbstredend, dass die dem Gewitter vorangehende
Hitze und der darauffolgende Fall der Temperatur schon lange bekannt waren, ebenso der das Gewitter
begleitende Platzregen und Hagelschlag. Doch auch andere Erscheinungen, welche man geneigt wäre, als
Resultate der rezenten Gewitterforschungen anzusehen, waren bereits im vorigen Jahrhundert bekannt. So
beweist z. B. Hellmann, 58 ) dass die Prioritätsansprüche Giro Ferrari’s 50 ) auf das Gesetz, dass vor
Ausbruch eines Gewitters das Barometer plötzlich steigt, unbegründet sind. Nicht allein, dass Koppen
bereits im Jahre 1879 dieses Gesetz ausgesprochen hat und auch ähnliche ältere Beobachtungen, die bis
1862 reichen, angeführt hat, sondern 100 Jahre früher, sagt Hellmann, war diese Thatsache bereits dem
Erfurter Professor J. J. Plauer (1782) bekannt und von Rosenthal und anderen aufs bestimmteste aus
gesprochen. Auch war die auffällige schmale Bandform der Hagelstriche bereits im vorigen Jahrhundert
bekannt. So beschreibt u. a. Tessier in den „C. R. de l’Académie des Sciences“ (auch in Kämtz’ „Meteoro
logie“ vorkommend) den höchst merkwürdigen Hagelschlag, welcher das Gewitter vom 13. Juli 1788 von
der Gascogne bis in die Niederlande begleitete. Die innerhalb weniger Stunden von dem Hagel verwüsteten
Landstriche bilden zwei schmale parallele Bänder von SW nach NE, 70 und 80 Myriameter lang. Die mitt
lere Breite des westlichen war 16, die des östlichen 8 km. Zwischen beiden blieb eine Zone von 2 Myria
metern verschont ; hier und seitlich von den Hagelstrichen kamen jedoch grosse Regenmengen herab. Die
Geschwindigkeit der Erscheinung, welche lokal nur 7—8 Minuten dauerte, betrug 66 km pro Stunde.
Doch von diesen und anderen Erfahrungen machte man bis vor wenigen Jahrzehnten keinen Gebrauch
zur Gewittererklärung, man beschränkte sich auf die Andeutung der Elektrizitätsquelle.
Etwa um das Jahr 1860 hat für die Meteorologie durch Einführung der synoptischen Methode eine
neue Aera angefangen, und die Kartographie eröffnete auch der Gewitterforschung neue Bahnen, ihr ver
danken wir die erste Klassifikation der Gewitter, die erste Andeutung der allgemeinen die Gewitterbildung
begünstigenden Wetterlage. Die Idee, den neu erfundenen Telegraphen zur Warnung für herannahende
Stürme zu benutzen, ist zuerst ungefähr 1842 von Kreil und Piddington ausgesprochen. 80 ) Prof. Henry
hat zuerst (1849) den Telegraphen in der Meteorologie angewandt, und er ging dabei viel weiter, als bis zur
Idee der Warnung, indem er mit Hilfe der „Smithsonian Institution“ die täglichen Wetterdepeschen auf die
heutzutage überall angewandte Weise zur Herstellung von Isobaren- und Isothermen-Karten verwerthete. 81 )
Der Krieg zwischen dem Süden und Norden war Ursache, dass dieses nützliche Unternehmen im Jahre 1861
eingestellt wurde. Die Wiederaufnahme dieses Wetterdienstes, von Prof. Henry 1865 geplant, scheiterte
durch die Feuersbrunst, welche die Gebäude der „Smithsonian Institution“ verheerte. Erst am 1. Sept. 1869
erschien das neue „Weather Bulletin“, herausgegeben vom „Cincinnaty Observatory“ unter Leitung des Prof.
CI. Abbe, bald darauf wurde die Sache durch Errichtung des Signal Service Staatsunternehmen. In
Europa war der Sturm, welcher am 14. November das Lager der verbündeten Grossmächte in Balaclava
verwüstete, Anlass, dass auf Le verrier’s Vorschlag das Pariser Observatorium seit 1856 regelmässig als Post
sendung oder Depesche meteorologische Beobachtungen aus Frankreich empfing. Die Anzahl der Stationen
vermehrte sich stets, und so war es möglich, seit dem 1. Januar 1858 das „Bulletin International“ täglich