E. Engelenburg?, C. I.: Aerodynamische Theorie der Gewitter.
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muss nothwendig die Wirkung anderer, viel kälterer Luft sein, welche plötzlich vom herannahenden Sturm
wind herheigefuhrt wird.
Krebs meint, und mit Recht, die Abkühlung nicht dem Regen zuschreiben zu können, wie es manch
mal behauptet wird, weil sie auch ohne Regen hei Gewitter beobachtet wird und — fügen wir liier hinzu
— auch manchmal ohne Gewitter und ohne Regen.
Seine Ergebnisse fasst er folgendennaassen zusammen. Alle Gewitter bilden sich aus der mechanischen
Einwirkung mindestens zweier Depressionen. Der Ort der Gewitterbildung liegt an der Stelle der grössten
Einwirkung dieser Depressionen aufeinander, also zwischen denselben auf einem Gebiete höheren Druckes.
Die Wärmegewitter bilden sich in Folge der Einwirkung zweier oder mehrerer lokalen Depressionen auf
einander, die Wirbelgewitter in Folge der Einwirkung einer Ilauptdepression auf einen oder mehrere Aus
läufer derselben. Das kurz vor oder kurz nach dem Gewitter auftretende Schwanken oder gar Umspringen
des Windes rührt von der Aufeinanderfolge mehrerer Depressionen her. Noch möge hier erwähnt werden,
dass die verschiedenen Formen der Barometerschwankungen erklärt werden aus der verschiedenen Richtung
der Linie, welche die beiden Depressionen und die Bahn des Gewitters verbindet, und nebenbei aus dem
Umstande, ob beide Depressionen, eine von beiden, oder gar keine über den Beobachtungsort hinwegziehen.
Zwischen der so augenfälligen Gleichzeitigkeit der Temperatur-Erniedrigung und der Druckstörung wird
kein ursächlicher Zusammenhang angegeben.
de Marchi versucht zuerst eine Erklärung zu geben von der Bewegung des Gewitters im grossen
Ganzen. Er ist der Meinung, dass der Transport von Luftmassen gänzlich ausgeschlossen ist, und damit
hat er von selbst auf die Fortpflanzung einer Luftdruckvertheilung hingewiesen. Demzufolge sind die Ge
witter manchmal mit Wellen verglichen worden, welche sich, sei es durch die Schwerkraft, wie Wasserwellen,
sei es durch die Elastizität, wie Schallwellen fortpflanzen.
Die letzten Untersuchungen über Wellenbewegung in der Atmosphäre von v. Helmlioltz gestatten
eine vielseitige Anwendung der aus den Wasserbewegungen bekannten Gesetze auf die Atmosphäre, jedoch
sind sie für die Fortschreitung der Gewitter unbrauchbar. Nach de Marchi sollen aus diesen Gesetzen
unter den günstigsten Annahmen noch immer Geschwindigkeiten folgen von 100 m pr. Sekunde, während
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Gewitter höchstens 25—30 m pr. Sekunde erreicht. Bleibt also übrig:
Gewitter schreiten fort mittelst Elastizitätswellen. Schallwellen, also auch elastische Wellen, übertragen sich
jedoch mit noch viel grösserer Geschwindigkeit (333 m pr. Sekunde). Die viel geringere Geschwindigkeit
der elastischen Gewitterwellen ist nach de Marchi eine Folge der ausserordentlichen Umstände der Tem
peratur und des Druckes, unter denen sie auftreten, nämlich grosse Wärme und geringer Druck vor, hoher
Druck und niedrige Temperatur nach dem Gewitter. Beiläufig sei darauf hingewiesen, dass diese Unter
schiede im Maximum für die Temperatur auf 15° C., für den Druck auf 3—4 mm anzunehmen sind. Mit Berück
sichtigung dieser Unterschiede entwickelt de Marchi Formeln, welche auf theoretischem Wege Geschwindig
keiten liefern, welche mit den beobachteten ziemlich gut übereinstimmen. Gestützt auf diese mathematischen
Auseinandersetzungen betrachtet de Marchi ein Gewitter als einen Komplex folgender Ereignisse.
In Folge mechanischer Ursachen, wie das Vorhandensein einer Gebirgskette oder in Folge physikalischer
oder dynamischer Gründe, wie in einem Cyklonengebiet, ist es möglich, dass oberhalb einer relativ warmen,
feuchten Luftschicht ein trockener, kalter Luftstrom vorhanden ist. Dieser kann die untenliegende Luftmasse
schräg treffen. Der obere Strom kann sich ausdehnen oder zusammenziehen; in diesen Fällen erfährt
die untere Masse einen Stoss, ihre oberen Schichten mischen sich mit der kälteren, trockenen Luft der
höheren Strömung und so findet eine reichliche Kondensation und Regen und Hagelbildung statt. Dieser
Stoss und die daraus folgende Kondensation pflanzen sich nach unten in der warmen Luft fort und so ent
steht oberhalb einer bestimmten Gegend eine kältere, schwerere Luftsäule. Dieser Zustand breitet sich wie
eine elastische Kondensationswelle nach allen Seiten aus, jedoch in Folge der besonderen Temperaturver
hältnisse mit weit geringerer Geschwindigkeit als eine Schallwelle. Ausserdem sind nicht in allen Richtun
gen die Bedingungen vorhanden, welche die langsame Wellenbewegung ermöglichen; meistens ist nur an
einer Seite der Säule genügend Wasserdampf vorhanden zur Weiterbildung der Kondensationswelle. In den
übrigen Richtungen ist die Geschwindigkeit sehr gross und die Wellenbewegung erstirbt bald. In diesen
Richtungen zieht die Welle so schnell vorüber, dass keine Zeit da ist, die Trägheit der Luft zu überwinden
zur Bildung eines Gewitters. Letzteres ist nur der Fall, wo die Wellenbewegung langsam ist; da bleibt die
Luftdruckstörung lange genug vorhanden, um die Luft in die besonders heftigen Bewegungen zu bringen,