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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1S96 No. 4 —
jedoch hei den grossen heftigen Wirbeln, wie die Cyklonen sind, die Luft in spiralförmigen Bahnen zu dem
Zentrum eilt, stürzt sie sich hei einem Gewitter nach allen Seiten hin; welche Thatsache seine Erklärung
darin findet, dass die in der Höhe entstandenen Wirbel sich in die untersten Luftschichten einhohren
müssen. Zu gleicher Zeit kann man im Innersten des Wirbels eine aufwärts gerichtete Bewegung beob
achten. Die ziemlich kalte Temperatur und die grosse Trockenheit, welche man fast immer nach dem Vorüber
gang der Gewitter, im allgemeinen nach kleinen und grossen Wirbelstürmen beobachten kann, ist zu er
klären durch das Hinabstürzen kälterer Luft aus höheren Schichten in Folge dieser Wirbelnatur. Denn in
Folge des labilen Gleichgewichtes der Luft müssen im Anfang der Störung grosse Massen warmer, feuchter
Luft emporsteigen, dafür müssen ebenso grosse kalte, trockene Luftmassen aus der Höhe herunterstürzen;
dieses Absteigen wird von der Wirbelbewegung kräftig unterstützt. Die eigenthiimlichen Windsprünge und
charakteristischen Wolkenformen erklärt Andries auch aus der Wirbelnatur. Bei der Kondensation des
Wasserdampfes zur Regenbildung kontrahirt sich die Luft, andere Luft muss von oben und von allen Seiten
zufliessen und deshalb muss das Barometer steigen. Wintergewitter sind nur von kurzer Dauer, weil die
höheren Luftströmungen und die ganzen Luftmassen, in denen sich die Gewitter abspielen, nicht reich
genug an Wasserdampf sind. Dies soll auch erklären, weshalb, immer nach Andries, nach diesen keine
Abkühlung, im Gegcntheil bisweilen Erwärmung eintritt. Wärmegewitter sind im Wesen nur wenig ver
schieden von Wirbelgewittern. Die Hagelbildung hat man sich wie folgt zu denken. Wenn sich ein ge
nügend kräftiger Wirbel in einer feuchten, warmen Luftmasse gebildet hat, so wird durch die im Innern
des Wirbels stattfindende spirale, aufwärts gerichtete Bewegung eine Menge feuchter, warmer Luft mitgerissen.
In dieser bilden sich durch Berührung mit den eiskalten Wänden des Wirbels, welche aus absteigenden Spiralen
kalter Luft aus der Höhe geformt werden, in kurzer Zeit Eisnadeln, welche sich auf ihrem weiteren Weg
zu Kernen zusammenballen. Hat solch ein Kern eine gewisse Grösse erreicht, so muss zu gleicher Zeit mit
den aufsteigenden schraubenförmigen Bewegungen auch eine Rotation um eine durch den Kern gehende
Achse stattfinden. Dieser Prozess setzt sich je nach der Intensität des Wirbels bis zu einer grossen Höhe
fort und veranlasst die sphaeroidal geformten Eiskörner.
Bei dem physikalischen Theil des Problems nimmt Andries kleine elektrische Spannungen als immer
in der Luft vorhanden an. Sie sind Folgen der zahlreichen Reibungsprozesse zwischen gleichartigen oder
ungleichartigen Körpern, hauptsächlich Wassertropfen und Hagelkörnern an feuchter Luft. Die enormen
elektrischen Spannungen, welche Blitze verursachen, sind Folgen der Oberflächen-Verringerung bei dem Zu-
sammenfliessen vieler kleinerer Tropfen zu grossen.
Ueber das gewaltsame Anpassen vieler Beobachtungen an Theorien wäre viel zu sagen. Eins möge
genügen, diesen Hypothesen den ganzen Boden zu entziehen. Die Untersuchungen der Verheerungen des
Hagels und Gewittersturms haben immer die Abwesenheit jeder cyklon- oder trombenähnlichen Bewegung
am deutlichsten gezeigt.
In der Reihe der angeführten Beispiele einer Gewittererklärung kommen zuerst ausschliesslich Hypo
thesen, später auch Theorien zur Erklärung der Gewitterelektrizität vor, nach und nach wird auch den
Nebenerscheinungen eine Stelle in der Betrachtung eingeräumt. Schliesslich sind noch zwei Gewittertheorien
zu besprechen, hei denen eine Erklärung der Elektrizitäts - Erregung ganz und gar wegbleibt; es sind die
Theorien von Krebs 511 } und du Marchi 57 ).
Krebs versucht den Ursachen der sogenannten Nebenerscheinungen auf die Spur zu kommen und
damit befindet er sich auf dem richtigen Wege, weil diese einen mehr integrirenden Theil der Erscheinung
bilden, als die elektrische Entladung.
Durch von Bezold, Koppen und Ferrari ist zuerst mit Bestimmtheit ausgesprochen, dass der Aus
bruch eines Gewitters sich durch einen jähen Temperatursturz sowie durch ein plötzliches Ansteigen des
Luftdruckes und der relativen Feuchtigkeit zusammen mit einem Umspringen des Windes kennzeichnet.
Nach Krebs’ Untersuchungen aus dem Material der Seewarte tritt die schnelle Abkühlung nur bei
Tagesgewittern auf, bei nächtlichem Gewitter folgt dagegen Erwärmung. Die Ursache dieser Erscheinung
ist nach ihm das plötzliche Abfangen der Wärmestrahlen der Sonne durch eine dicht aneinandergeschlossene
Wolkendecke, während dagegen in der Nacht derselbe Vorhang die Ausstrahlung hemmen und somit Wärme
verlust verhindern würde.
Das Abschlüssen der Wärmequelle kann unmöglich solch ein rasches Abkühlen wie bei Gewittern
verursachen, welche Abkühlung muthmaasslich noch schneller ist, als die Instrumente anzeigen können. Sie