E. Engelpriburg, C. I.: Aerodynamische Theorie der Gewitter.
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Auch in Beziehung auf Elektrizitäts-Erregung bei Gewittern hat Hoppe Experimente angestellt. Er
liess warme oder kalte Luftströme unter der massig evacuirten Glocke der Luftpumpe ausströmen, wodurch
in dem unter der Glocke sich befindenden Konduktor starke Elektrizität erregt wird. Hoppe betont, dass
grosse Druckdifferenzen zwischen dem Behälter, woraus die Luft fliesst, und dem Luftpumpen-Rezipienten
nothwendig sind. Es ist wahrscheinlich, dass die Erklärung der Elektrizitäts-Erregung nach Hoppe nicht
die richtige ist, sondern dass die Reibung der Nebelkörper in der engen Rohrleitung auf dem Wege zur
Glocke, in der sich ausdehnenden vorher stark komprimirten Luftmasse, die eigentliche Ursache der Elek
trizitäts-Erregung ist. Sohncke 51 ) betrachtet es als nicht unmöglich, dass bei dem gleichzeitigen Ein
strömen kalter und warmer Luft Reibung von Wasser an Eis stattgefunden hat. Gegen das erste Experi
ment Hoppe’s, welches beweisen sollte, dass die hei der Verdampfung stattfindende Reibung des Wasser-
dampfes an den festen Theilen der Erde Elektrizität erregt, führt So linke folgende Bedenken an. Das
Experiment beweist Elektrizitäts-Erregung durch Reibung der hei schneller Evacuirung entstandenen Nebel
körper an dem Schwamme, d. h. Reibung der Wassertropfen an einem festen Körper. Hierauf deutet auch
die Thatsache, dass hei dem Experiment Hoppe’s die Elektrizitäts-Erregung viel stärker war, wenn statt
filtrirter Luft gewöhnliche oder durch Tabaksrauch verunreinigte Luft unter den Rezipienten gebracht wurde.
Es ist nämlich durch die Untersuchungen Assmann’s und Aitken’s bekannt, dass verunreinigende Staub-
theilchen in der Atmosphäre Tropfenbildung befördern und jedes Staubtheilchen den Kern eines Nebel
körpers bildet.
Die Quellen, welche Iloppe angiebt für Luft- und Gewitter-Elektrizität, selbst wenn die Experimente
erklärt werden durch Reibung von Wassertropfen an Luft oder festen Körpern, können jedoch ohne weiteres
nie so reichlich fliessen, dass sie die in der Natur beobachteten Erscheinungen erklären können.
Liebenow 52 ) schliesst aus Beobachtungen mit kleinen Ballons von geringer Steigkraft, dass Gewit
tern immer aufsteigende Luftströme vorangehen. Der Wasserdampf wird in einer bestimmten Höhe tlieil-
weise kondensirt; die gebildeten niederfallenden Regentropfen veranlassen durch Reihung mit dem übrigen
noch aufsteigenden Dampf die Elektrizitäts-Erregung. Auf dieselbe Weise erklärt er auch die gewöhnliche
Luftelektrizität ; doch ruft er hierzu auch die Reibung von Wasserdampf aus der Atmosphäre an den feuch
ten Theilen der Erdoberfläche und an der gewellten Oberfläche von Seen und Meeren zu Hilfe.
Diese beiden letzteren Reibungs - Erscheinungen betrachtet le Goarant de Tromelin 53 ) analog als
einer Armstrong’schen Dampfelektrisirmaschine und als ausschliessliche Ursache der Elektrizitäts-Erregung.
Jordan 54 ) ist der Meinung, dass jede Reihung, welche zwischen heterogenen Körpern in der Atmo
sphäre stattfindet, Elektrizität erregt, und dass die am meisten vorkommende Reihung diejenige ist, welche
hei dem Aufsteigen und der abwechselnden Bewegung der verdampften Wassertheilchen zwischen diesen und
der trocknen Atmosphäre stattfindet.
Andries 55 ) zerlegt das Problem in zwei Theile: ein rein mechanisches und ein rein physikalisches.
Anfangend mit dem ersteren, fragt er sich: Welches ist die Kraft, welche die Hagelkörner, bisweilen mit
Recht Hagelsteine oder Eishlöcke genannt, hervorbringt und längere Zeit schwebend erhalten kann. Seine
Antwort ist: Wirbelbewegung der Atmosphäre. Und bis so weit hat er Recht. Was er unter den Wirbel
bewegungen versteht, verdeutlicht er mit einem Experimente, indem er in einem Fasse mit Wasser kleine
Wirbel mit vertikaler Achse hervorbringt. Die Gewitter sollen also ihren Sitz in Wirbelbewegungen nach
Art der Cyklone und Tromben haben. Andries versucht nun durch diese Wirbel mit allerlei Modifikationen
die verschiedenen Gewitter-Erscheinungen zu erklären. Sind wir berechtigt, dergleichen Wirbel mit verti
kaler Achse während eines Gewitters und bei Hagelstürmen anzunehmen? Andries bejaht diese Frage,
wozu er einige Beobachtungen von Ivämtz, Piddington, Hann und Mohr anführt. Gestützt auf diese
Annahme, giebt er, nach einer einleitenden Schilderung eines warmen, feuchten, aufsteigenden Luftstromes
mit alledem, was damit zusammenhängt, ungefähr folgende Beschreibung einer Gewitter- und Hagelbildung.
Wir wissen bestimmt, dass oft, bereits in relativ geringen Höhen, kräftige Luftströme von verschiedener Rich
tung bestehen. Solch ein Luftstrom — er möge entstanden sein in Folge des seitlichen Abfliessens einer
stark erhitzten Luftmasse und des Herandringens der Luft von anderer Seite, oder er möge in ursächlichem
Zusammenhänge stehen mit einem Cyklon — er muss, sobald er ins Gebiet einer stark erhitzten, mit Wasser
dampf nahe gesättigten Luftmasse eingedrungen ist, ein turbulentes Aufsteigen dieser in Folge des labilen
Gleichgewichts verursachen. Dabei kann es nicht ausbleiben, dass sich über der ganzen Breite der höheren
Luftströmung zahlreiche Wirbel bilden. Einer oder mehrere dieser Wirbel veranlassen das Gewitter. Indem