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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1895 No. 1 —
diese ganze Zone üb er weht, weit mehr Ost- als Westversetzungen notirt, und wenn einmal der Passat an
Stärke nachlässt, so tritt der Gegenstrom recht stark auf. Natürlich fliesst er meist nicht direkt gegen
den Wind an, sondern, wenn der Passat, wie es hier, wo beide Passate in einander übergehen, oft geschieht,
aus SE weht, geht der Strom nach Nordosten, umgekehrt, wenn der NE-Passat das Uebergewicht hat,
nach Südosten. Keinesfalls kann man sagen, dass, ebenso wie die beiden Passate in diesen
Monaten oft in einander übergehen, mit einander verschmelzen, auch der nördliche und
der südliche Aequatorialstrom ineinander übergehen. Jedenfalls bleibt zwischen beiden
immer noch ein breiter Gürtel mit veränderlichen Strömungen, unter denen die Ost
strömungen trotz widrigen Windes noch die häufigsten sind. Dieser Gürtel wird nach Osten
hin immer breiter und verlegt sich etwas weiter nach Norden; so liegt er im Januar östlich von 180° auf
dem Grenzgebiet der beiden Passate unter 5°—9°N.Br. Und je weiter nach Osten, desto regel
mässiger, desto ausschliesslicher werden Ostversetzungen gefunden. So werden östlich
von 120° W. Lg. an, wo der Gegenstrom auch südlich von 5°N.Br. auftritt, dagegen von Norden her mehr
eingeengt wird, zuweilen ungewöhnlich grosse Stromversetzungen nach Osten gefunden, über 40 Sm mehr
fach, einmal bis 97 Sm; so starke Versetzungen werden natürlich nur bei nicht entgegenstehenden Winden
getroffen, die eben genannte, grösste je im Gegenstrom notirte, von 97 Sm z. B. in 5°N.Br. und 103°W.Lg.
bei Südwind. So geht der Gegenstrom in derselben Weise wie früher auf die Küste von Amerika zu und
biegt vor derselben nach Norden ab.
Sowie nun aber dabei das Wasser den 10°N.Br. überschritten hat, wird es von dem hier an der Küste
-wehenden Winde, dem Papagojo, der in heftigen Stössen zu wehen pflegt und oft zu sturmartiger Stärke
anwächst, aber auch zuweilen tagelang aussetzt, gefasst und mit grosser Gewalt nach Westen getrieben.
Hierbei wird, da das von Süden zugeführte Wasser nicht genügt, das weggetriebene zu ersetzen, kaltes
Tiefenwasser heraufgerissen; so erscheint denn dort, wo der Wind, der vom Lande herabfällt, das Meer
trifft, eine Kälteinsel. Dieses plötzliche Fallen der Oberflächentemperatur ist sehr deutlich zu ersehen aus
den Journalen der Schiffe, die von Süden kommend nach Corinto bestimmt sind, und die dicht an der
Küste der dem Golf von Nicoya vorgelagerten Halbinsel nach Norden fahren und so aus hoch erwärmtem
Meere mit Oststrom plötzlich in kühles Wasser und in einen Strom gerathen, der sie, oft mit grosser Ge
schwindigkeit, nach NW und W versetzt. Dieser Papagojostrom, wie er genannt werden kann, eine
ausgeprägte Triftströmung, tritt an die Stelle der Abflussströmung der vorigen Monate, führt aber
mehr Wasser hinweg, als vom Gegenstrom geliefert wird, während vorher das Wasser Mühe hatte, gegen
den Wind abzufiiessen. Diese Papagojotrift führt das warme Wasser, das im Herbst an der Küste von
Mittelamerika gestanden hatte, rasch hinweg, so dass im Dezember nur ausserhalb ihres Bereiches noch
sich die Isotherme von 27° halten kann, im Januar ist sie nur noch auf die geschützten Gegenden unter
der Küste beschränkt. Der Südrand dieser Strömung fliesst am schnellsten und hat der Hauptrichtung des
Papagojo, der nordöstlichen, entsprechend zuerst WSW-Bichtung und drängt so den Gegenstrom, dem er viel
Wasser wieder abgiebt, nach Süden über 8°N.Br. zurück.
Noch auffallender als diese bisher nirgends verzeichnete Papagojotrift, die jetzt die Wurzel der NE-
Passattrift bildet, und die durch sie bedingten Temperaturverhältnisse sind im Dezember und Januar die
nur diesen beiden Monaten eigenthümlichen Verhältnisse vor dem Golfe von Tehuantepec: Das seit Oktober
an der Küste von Mexico entlang langsam vor dem hier vorherrschenden NW-Winde nach Südosten ge
drängte Wasser geht zu Anfang Dezember bis zum Golf von Tehuantepec. Hier kommt ihm vom Südosten
das Wasser der Abflussströmung oder vielmehr der Nordrand der jetzigen Papagojotrift entgegen, wodurch
ein Stromwirbel entsteht, aus dem das Wasser nach Westen bin abfliesst. Die Sache wird noch dadurch
bedeutend komplizirt, dass, ähnlich wie an der Papagojoküste, von der Landenge von Tehuantepec her
heftige Nordwinde wehen, die aber noch weit mehr als der Papagojo zu einzelnen heftigen Stürmen werden,
tagelang ganz aufhören und plötzlich wieder hervorbrechen. Diese Winde treffen vor dem Golf von Tehu
antepec auf den Stromwirbel, aus dem das Wasser nach Westen abfliessen soll, und treiben die Wasser
massen nach Süden, bei der Gelegenheit viel kaltes Wasser aus der Tiefe emporreissend. Der
Wind kann nicht diese abkühlende Wirkung auf das Wasser ausüben, denn er ist ebenso
wie der Papagojo als föhnähnlicher Fallwind wärmer, die Lufttemperatur ist höher als die wäh
rend seines Wehens auftretenden niedrigen Wassertemperaturen, während im allgemeinen
in unserm Gebiet das Wasser höhere Temperatur hat als die Luft. Wenn die heftigen Norder aufgehört