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Aus dom Archiv der Deutschen Seewarte — 1894 No. 1 —
Die indirekten Methoden gehen davon aus, dass die-
wahre Distanz SM sich von der scheinbaren Q<¡ nur durch
gewisse Korrektionen unterscheidet, welche von den Bögen
M(¡ und QS, d. h. also von der Parallaxe und der Refraktion
abliängen, und suchen die Ausdrücke für diese Korrektionen
in einer ihnen eigenthümlichen Weise abzuleiten.
Die dritte Art endlich, die empirischen Methoden, be
rechnen nur das Hauptglied dieser Korrektionen, nämlich das
jenige, welches von der Parallaxe des Mondes abhängt, und
entnehmen die algebraische Summe aller übrigen Korrektionen
einer besonderen Tafel, welche dadurch entstanden ist, dass
für bestimmte Intervalle der beiden scheinbaren Höhen und
der scheinbaren Distanz die wahre Distanz einmal nach einer
strengen Methode und zweitens nur mit Berücksichtigung jenes
Hauptgliedes berechnet und die Abweichungen, welche also den
Einfluss der Refraktion und die Glieder höherer Ordnung der
Parallaxe darstellen, in eine Tafel mit dreifachem Argumente
gebracht wurden.
Die Vorzüge dieser Methode liegen vor allen in ihrer Einfachheit und Kürze. Vierstellige Logarithmen
und keine Schwierigkeiten in den Vorzeichen sind Vortheile, um derenwillen der Seemann schon gerne auf
die äusserste Genauigkeit Verzicht leistet, und die rasche Aufeinanderfolge stets neuer Auflagen solcher
Tafeln beweisen, wie beliebt diese Methode geworden ist.
Wenn trotzdem dieselbe bei uns in Deutschland nur einem beschränkteren Kreise von Seeleuten zu
gänglich geworden ist und namentlich die Anerkennung der Gleichberechtigung für unsere nautischen Schiffer
prüfungen sich nicht hat erringen können, so kann der Grund hiervon nur in einigen Einwänden liegen, welche
sich gegen dieselbe erheben lassen.
Zunächst muss man bedenken, dass die Tafel der Gesammtkorrektion unter Zugrundelegung eines
mittleren Werthes der Horizontal-Parallaxe des Mondes von 57'BO 1 ' berechnet ist. Da dieselbe aber von
53'48" bis 61' 30" variiren kann, so kann für jeden einzelnen Fall die Tafel nicht die wirklichen Werthe
der Korrektion ergeben. Allerdings ist der Hauptbestandteil der Tafelwerthe der Einfluss der Refraktion
und nur bei extremen Fällen, für eine Distanz von 20°,_ wenn zugleich der Winkel am Monde 90° wird,
kann der hierdurch hervorgerufene Fehler die äusserste Grenze von 10" erreichen; bei 30° Distanz kann
er nur noch 7" werden, bei 40° nur 5" und bei 50° endlich 3".
Ferner fehlt den Tafeln der empirischen Methode die Angabe über den Einfluss der Temperatur und
des Luftdrucks. Wenn dieselben nur die Glieder erster Ordnung der Refraktion enthielten, so wäre es sehr
leicht, in Gestalt einer kleinen Hülfstafel die Wirkung jener beiden meteorologischen Elemente beizufügen.
Da aber die Tafelwerthe ausserdem noch den Betrag der Glieder höherer Ordnung der Parallaxe des Mondes
enthalten, so ist dies, streng genommen, nicht mehr gestattet, wenn auch der Fehler, welcher durch die obige
Annahme hervorgerufen wird, in Wirklichkeit ziemlich bedeutungslos sein mag.
Endlich mag auch das Bedenken mit maassgebend gewesen sein, dass alle jene Tafeln der Gesammt
korrektion mit keinem Worte ihre Entstehungsweise verrathen und somit einen so blinden Gehorsam ver
langen, den man sich in der Wissenschaft nur ungern gefallen lässt, und dies Bedenken kann auch dadurch
nicht ganz beseitigt werden, dass von verschiedenen Rechnern, welche den Grundlagen der gebräuchlichsten
Tafel dieser Art, derjenigen von David Thomson, auf die Spur zu kommen suchten und daher eine grosse
Menge von Beispielen kontrolirt haben, nur geringe Abweichungen gefunden worden sind.
Um daher zu einem Verfahren zu gelangen, welches die Vortheile der empirischen Methode zu wahren
sucht, ohne gleichzeitig mit den Nacht heilen derselben behaftet zu sein, müssen folgende Punkte als Richt
schnur dienen:
1) Das Hauptglied der Mond-Parallaxe muss durch Rechnung gefunden werden, wobei man nicht die
Höhen-Parallaxe, sondern nur die Horizontal-Parallaxe gebraucht; vierstelliges Rechnen genügt.