Dr. C. Stechert: Das Marine-Chronometer und seine Verwendung in der nautischen Praxis.
25
Archiv 1S94. 4.
4
durch den Arretirhebel fest, schraube den Glasdeckel vorsichtig ah (wobei besonders eine Verletzung der
Zeiger zu vermeiden ist) und führe den Minutenzeiger mit Hülfe des auf das Vierkant gesteckten Schlüssels
in rechtsdrehendem Sinne bis zur richtigen Einstellung. Eine Bewegung im entgegengesetzten Sinne darf
nie ausgeführt werden, weil hierdurch eine Verletzung der Zähne des Hemmungsrades, oder gar ein Bruch
der Unruh-Axe leicht herbeigeführt werden kann. Eine Verschiebung des Sekundenzeigers darf aus ähn
lichen Gründen niemals vorgenommen werden.
§ 35. Ist ein Chronometer ohne äussere Veranlassung stehen geblieben und in oben erwähnter Weise
wieder in Gang gesetzt worden, so sind seine Angaben während der nächsten Zeit mit grosser Vorsicht zu
benutzen. Fehlt die Möglichkeit, sofort eine Gangbestimmung auszuführen, so muss man einstweilen mit
dem bisherigen Gangwerthe weiter rechnen. Da indessen die Erfahrung vorliegt, dass nach einem Stehen
bleiben häufig eine erhebliche Gangänderung eingetreten ist, so darf man dem bisherigen Werthe kein
grosses Vertrauen schenken. — Es ist mehrfach vorgekommen, dass ein ohne äussere Veranlassung stehen
gebliebenes und wieder in Gang gesetztes Chronometer etwa 8 bis 14 Tage unruhige Gänge gezeigt hat,
dann aber wieder vollständig zu seinem früheren Gangwerthe zurückgekehrt ist und ein regelmässiges Ver
halten angenommen hat. Diese Fälle können aber nur als Ausnahmen bezeichnet werden, in der Regel wird
das Stehenbleiben in kürzerer oder längerer Zeit" wiederum eintreten; dann ist es nicht zu empfehlen, das
Ingangsetzen zu wiederholen, weil das Instrument offenbar reparaturbedürftig ist und der Schaden sich in
den meisten Fällen noch wesentlich vergrössert, wenn das Chronometer in Gang erhalten wird. — Aber auch
nach einmaligem Stehenbleiben versäume man nicht, das Instrument so bald wie möglich einem guten Chrono-
metermacher zur Durchsicht zu übergeben.
Nicht gar selten tritt ein Stehenbleiben durch den Umstand ein, dass der grosse Zeiger den kleinen
berührt oder an demselben hängen bleibt. Diese Störung kann man nach dem Abschrauben des Glasdeckels
leicht mit Hülfe eines zugespitzten Hölzchens beseitigen. Manchmal wird es vortheilhaft sein, vermittelst
des auf das Vierkant gesteckten Schlüssels einen kleinen Druck auf den grossen Zeiger auszuüben, um den
selben wieder in seine richtige Stellung, so dass er frei über den kleinen Zeiger hinweg geht, zu bringen.
§ 36. Da der Gangwerth — wie wir bereits oben gesehen haben — von der Temperatur des Auf
stellungsraumes abhängig ist, so muss letztere mit besonderer Sorgfalt während der ganzen Reise ermittelt
werden. In den meisten Fällen wird es genügen, dass zu diesem Zwecke täglich einmal, kurz bevor das
Spind zum Zwecke des Aufziehens geöffnet wird, das Maximum- und das Minimum-Thermometer abgelesen
werden. Der Mittelwerth beider Angaben wird stets sehr nahe die mittlere Tagestemperatur des Aufstellungs-
raumes darstellen. Wenn aber zu befürchten steht, dass in Folge starken Seeganges die Indices der Extrem-
Thermometer verschoben werden können, ist es empfehlenswerth, dass man statt dessen täglich mehrmals
das im Spind befindliche Zimmer-Thermometer — vielleicht am Schlüsse oder zu Anfang jeder Wache —
abliest und dann den Mittelwerth dieser Angaben als mittlere Tages-Temperatur annimmt.
§ 37. Es ist oben bereits erwähnt worden, dass jede Stellenveränderung des Chronometers, während
sich dasselbe an Bord befindet, zu vermeiden ist, und muss deshalb die häufig geübte Gewohnheit, das
Instrument zur Beobachtung an Deck zu bringen, als durchaus unstatthaft bezeichnet werden. Hierzu ist
ein ausrangirtes Chronometer oder eine Beobachtungsuhr zu verwenden; auch sind die in neuerer Zeit ver
fertigten sogenannten Chronographen, welche die Grösse einer gewöhnlichen Taschenuhr besitzen, für diesen
Zweck sehr praktisch. Letztere Instrumente haben einen zweiten, um die Mitte des Zifferblattes sich be
wegenden Sekundenzeiger, welcher durch einen Druck auf den Aufziehknopf in Bewegung gesetzt werden
kann, durch einen zweiten Druck angehalten wird und beim dritten Drucke auf Sekunde 0 zurückspringt.
Wie man in geeigneter Weise den Moment der Beobachtung mit Hülfe eines derartigen Instruments bestimmt,
wird im folgenden Kapitel näher besprochen werden.
S 38. Es werden sich selbst bei guten Chronometern von Zeit zu Zeit ohne äussere Veranlassung
kleinere Sprünge im Stande, oder vorübergehende Aenderungen des Ganges einstellen. Gewöhnlich kehrt
aber nach solchen Ereignissen der Gang schon nach einigen Tagen wieder zu seinem früheren Werthe zu
rück, und es wird dann kaum noting sein, eine Durchsicht des Werkes ausführen zu lassen.
Nimmt dagegen ein Chronometer, welches früher ein gutes Verhalten gezeigt hat, andauernd einen
stark schwankenden Gang an, so deutet dies darauf hin, dass eine eingreifende Störung im Mechanismus
vorhanden ist; dann ist es besser, dass man das Instrument ablaufen lässt, weil durch die weitere Bewegung