Dr. C. Stechert: Das Marine-Chronometer und seine Verwendung in der nautischen Praxis.
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Abtheilungen, welche genau der Grösse der Chronometerkasten entsprechen. Die Benutzung von Seegras,
Kleie oder Sägespähnen bei Anfertigung der Polsterung ist zu verwerfen, weil diese Materialien in Folge
der Einwirkung der Feuchtigkeit leicht zusammenbacken und ihre Elastizität verlieren. Um Baum zu sparen,
pflegt man die Deckel der in den gepolsterten Kasten eingesetzten Chronometer in den Scharnieren los zu
schrauben. Im Chronometerspinde sind ausserdem noch ein Zimmer-Thermometer, ein Maximum- und
Minimum-Thermometer, sowie ein Hygrometer derartig befestigt, dass ihre Stellung durch die Schiffs
bewegung nicht verändert werden kann. Es empfiehlt sich, zu diesem Zwecke einige durch Schrauben fest
zu stellende Klammern anzubringen, welche je nach der Grösse der benutzten meteorologischen Instrumente
verstellbar sind. Die Ablesung der letzteren wird, ohne dass das Oeffnen des Spindes notliwendig ist, ent
weder durch seitliche kleine Fenster oder vermittelst eines schräge liegenden Spiegels durch die obere ;
Deckelscheibe ermöglicht.
Bei dem nach Dr. Neunmyer’s Vorschläge konstruirten Chronometerspinde ist ausserdem ausserhalb des
Kastens ein System von Glasröhren angebracht, welche mit Stücken rohen Chlorcalciums in Haselnussgrösse
gefüllt und durch mehrere Gummischläuche mit einander verbunden sind. Mit Hülfe einer Säugpumpe, welche
durch Wasserdruck, Dampfkraft oder Handbetrieb in Wirksamkeit gesetzt werden kann, wird jedesmal, nach
dem das Spind geöffnet gewesen ist, die im Innern befindliche Luft herausgezogen. Die durch die Glasröhren
in das Spind wieder einströmende Luft ist durch die vorherige innige Berührung mit dem Chlorcalcium be
deutend entwässert worden, und gelingt es deshalb, ohne grosse Mühe im Innern des Kastens einen mittleren
Feuchtigkeitsgrad (etwa 50—60 u / 0 ) herzustellen und bei genügender Dichtigkeit des Apparates auf die Dauer
zu erhalten. — Es empfiehlt sich, wenn die zuletzt besprochenen Einrichtungen nicht vorhanden sind, im
Chronometerspinde einige offene Bechergläser mit Chlorcalcium aufzustellen, um hierdurch hohe Feuchtig
keitsgrade zu verringern. Die Befürchtung, dass man durch diese Anordnung zu weit gehen und eine zu
trockene Luft im Innern des Spindes herstellen könnte, hat sich durch vielfache praktische Versuche als
unbegründet erwiesen. Auch möge noch hinzugefügt werden, dass das Chlorcalcium bei dieser Verwendung
in keiner Weise die Metalltheile der Instrumente angreift, denn es wird in diesem Falle durchaus nicht,
wie bei anderen Chemikalien, welche zur Entwässerung der Luft benutzt zu werden pflegen (z. B. Schwefel
säure, Phosphorsäure u. s. w.), eine Entwickelung von schädlichen Gasen stattfinden können. —• Auf der im
Jahre 1889 unter Leitung des Geh. Bath Hensen ausgeführten Plankton-Expedition ist eine derartige Auf
stellung von Chlorcalcium-Gefässen im Innern des Chronometerspindes vorgenommen worden; das Verhalten
der Instrumente ist während der Beise ein ganz vorzügliches gewesen.
Von Wichtigkeit ist ferner, dass das Chronometerspind auf einer möglichst soliden Unterlage aufge
stellt wird. In der Kaiserlich Deutschen Marine wird zu diesem Zwecke ein Holzklotz von etwa 1 Meter
Höhe mit dem Deck fest verbolzt und auf demselben das Spind festgeschraubt. Block und Kasten werden
mit einer Holzverkleidung derart umgeben, dass überall 3—4 cm Zwischenraum bleibt, um die Wirkung
aller von aussen an die Holzverkleidung erfolgenden Stösse abzuschwächen.
Ist ein besonderes Spind zur Aufbewahrung des Chronometers nicht vorhanden, so muss das Instrument
in seinem Ueberkasten verbleiben; letzterer ist auf einer festen Unterlage mittelst zweier Schrauben, welche
durch den übergreifenden Theil der Bodenplatte hindurchgehen, fest zu setzen. Ganz praktisch hat sich in
solchen Fällen die Vorsicht bewiesen, den Ueberkasten durch eine trockene dicke wollene Decke, welche
täglich gewechselt wird, zu überdecken; das Chronometer wird hierdurch vor schroffen Temperatur-Ueber-
gängen und zum Theil auch vor dem Zutritt feuchter Luft einigermaassen geschützt sein.
Vielfach ist es in der Handelsmarine üblich, dass das Chronometer in einem Schuhfache im Schreib
sekretär des Kapitäns befestigt wird, nachdem die obere Hälfte des Kastens und des Lieberkastens in den
Scharnieren losgeschraubt worden sind. Diese Art der Aufstellung kann nicht als besonders günstig em
pfohlen werden, weil bei dem täglichen Aufziehen und hei jeder Benutzung des Instrumentes durch das
Bewegen des Schubfaches Ortsveränderungen ausgeführt werden müssen, welche leicht Anlass zu Erschütte
rungen und pendelnden Bewegungen des Gehäuses in der Aufhängung bieten können.
§ 30. Behandlung des Chronometers. Sobald das Chronometer an Bord gebracht worden ist
und in geeigneter Weise Aufstellung gefunden hat, ist zunächst der Arretirhebel, welcher während des
Transportes die freie Bewegung des Chronometer - Gehäuses verhinderte, ans seiner Gabel und dem kar-
danischen Binge herauszudrücken und seitlich durch die Klemmschraube derartig festzustellen, dass weder
die Schiffsbewegung, noch eine unwillkürliche Berührung ihn wieder in seine frühere Lage zurückbringen