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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1894 No. 4 —
Form ertheilt. In der Chronometer-Technik werden zwar die Spiralen absichtlich nicht ganz vollkommen
isochron hergestellt, um gangstörenden Einflüssen anderer Art entgegen zu wirken, doch sind diese Ab
weichungen äusserst gering, und soll deshalb auf die Darlegung der Gründe für diese anisochrone Reglage
auch, um diese Betrachtungen nicht zu weit auszudehnen, an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
Es möge nur bemerkt werden, dass die Fabrikanten sich bemühen, das Chronometer so zu reguliren, dass
die kleinen Schwingungen ein wenig schneller als die grossen ausgeführt werden.
§ 8. Damit auch auf dem bewegten Schiffe die Richtung der Räderaxen und die Lage der schwin
genden Tlieile in Bezug auf die Richtung der Schwerkraft stets unverändert bleibe, ist das Gehäuse des
Chronometers mit einer doppelaxigen (kardanischen) Aufhängung versehen. Dem Gehäuse ist einerseits eine
Bewegung um zwei einander diametral gegenüberstehende Zapfen möglich, welche in einem starken Messing
ringe befestigt sind, und deren Lager sich an zwei am Gehäuse angebrachten Ansätzen befinden; anderer
seits ruht der Messingring in zwei Axen, welche rechtwinklig zu den beiden erwähnten Zapfen stehen. In
Folge dieser Anordnung stellt sich das Gehäuse des Chronometers stets so ein, dass das Zifferblatt horizontal
liegt, und es ist nun leicht zu übersehen, dass auch die Reibungs-Verhältnisse aller Zapfen im Innern des
Gehäuses durch die grössere oder geringere Neigung des Schiffskörpers nicht beeinflusst werden können.
II. Die Ursachen der Gangveränderungen.
§ 9. Die Erfahrung lehrt, dass ein mechanisch gut ausgeführtes Chronometer — selbst wenn die
äusseren Bedingungen seiner Aufstellung vollkommen unverändert bleiben — keinen durchaus gleichmässigen
Gang zeigt. Die Ursachen dieser allerdings geringen Abweichungen sind in den molekularen Veränderungen
der Metalle und in der mit der Zeit fortschreitenden Zersetzung des Schmiermittels, des Oeles, zu suchen.
Bei der Verwendung des Chronometers in der nautischen Praxis, wo es niemals in der Vollkommenheit
möglich sein wird, gangstörende Wirkungen, welche durch Veränderungen in den äusseren Verhältnissen
herbeigeführt werden, auszuschliessen, wird man deshalb von vornherein auf noch grössere Gang-Ab
weichungen rechnen müssen. — Um nun dem Ideale eines vollkommenen Instrumentes möglichst nahe zu
kommen, sind schon von Seiten des Verfertigers Vorrichtungen an dem Chronometer angebracht, durch
welche die Wirkungen der äusseren gangstörenden Einflüsse auf den Mechanismus entweder möglichst abge
schwächt oder ausgeglichen (kompensirt) werden. In dem vorliegenden Kapitel soll nun eine kurz gefasste
Erörterung der gangändernden Ursachen und im Anschlüsse hieran eine Erklärung der eben genannten
Vorrichtungen gegeben werden.
§ 10. Die Schwankungen der Temperatur sind unter diesen störenden Einflüssen an erster
Stelle zu nennen. Dieselben verändern erstens die Dimensionen der Unruhe (wobei wir uns diese zunächst
als einen geschlossenen homogenen Metallring vorstellen wollen) und folglich die Dauer der Schwingungen.
Wenn auf Grund des bekannten physikalischen Gesetzes die Unruhe durch steigende Temperatur sich aus
dehnt, wird das Trägheitsmoment des ganzen Systems und in weiterer Folge die Schwingungsdauer ver-
grössert werden; das Umgekehrte findet bei sinkender Temperatur statt. — Zweitens bewirken die Schwan
kungen der Temperatur eine Verlängerung, bezw. Verkürzung der Spiralfeder; es tritt hierdurch eine Ver-
grösserung bezw. Verringerung der Schwingungsdauer ein, und wird ausserdem der Isochronismus gestört,
welcher — wie oben bereits ausgesprochen —- von einem bestimmten Verhältnisse zwischen der Länge und
der elastischen Kraft der Spiralen abhängt. Ausserdem wird durch die Längen-Veränderung die Ruhelage
der Spirale in Rücksicht auf denjenigen Punkt, wo der Antrieb erfolgt, verschoben; es entspringt hieraus
ein Unterschied in der Wirkung des Antriebes. — Drittens bewirken die Unterschiede der Temperatur
Veränderungen der elastischen Kraft der Spirale und in Folge dessen Veränderungen in der Schwingungs-
Amplitude der Unruhe. — Endlich üben die Temperatur-Unterschiede einen Einfluss auf die Konsistenz des
Oeles und hierdurch mittelbar auch auf die Reibungen aller Zapfen aus. Die drei ersten Ursachen erzeugen
bei steigender Temperatur eine Verzögerung, die letzte eine geringe Beschleunigung des Ganges. — Auf
Grund ausgedehnter Untersuchungsreihen, welche auf der Deutschen Seewarte neuerdings an einem nicht-
kompensirten Chronometer ausgeführt worden sind,*) entspricht einer Temperatur-Erhöhung von 1° Celsius
') Annalen der Hydrographie u. Maritimen Meteorologie, Jahrgang 1S91, Seite 312.