Dr. C. Stechert: Das Marine-Chronometer und seine Verwendung in der nautischen Praxis.
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würde, dass die Windungen der im Innern befindlichen Zugfeder sich aufwinden, und dass nunmehr die Ver
bindung zwischen Federhaus und Kette wieder hergestellt würde, so würde offenbar die Trommel in Folge der
Wirkung der elastischen Zugfeder bestrebt sein, eine Drehung auszuführen, welche der soeben beschriebenen
entgegengesetzt ist. Diese Bewegung würde sich in Folge des Aufwindens der Kette auf die Aussenwand
der Trommel, auf die Schnecke und das ganze Räderwerk übertragen, so dass man in dieser Weise im
Stande ist, dem letzten Rade des Räderwerkes, dem Hemmungsrade, das schon oben erwähnte Bestreben
der Drehung in einem bestimmten Sinne zu ertheilen. Man erkennt ferner leicht, in welcher Weise die
konische Form der Schnecke geeignet ist, die nicht immer in gleicher Stärke wirkende Zugfeder zu einem
nahezu konstanten Motor umzugestalten: In dem Maasse, wie die Zugfeder sich im Innern der Trommel
abrollt und damit ihre Wirkung verringert, wächst der Hebelarm, an welchem die sich abrollende Kette die
Sclmecke dreht. — Es möge noch bemerkt werden, dass durch das tägliche Aufziehen des Chronometers nicht,
wie in der obigen Veranschaulichung angenommen, eine unmittelbare Bewegung des Federhauses hervor
gebracht wird; es wird vielmehr die Schnecke vermittels des Aufziehzapfens d um ihre Axe gedreht und
hierdurch die Kette von der sich drehenden Trommel abgerollt und in die Windungen der Schnecke ge
bracht, doch wird durch eine Vorrichtung, welche zwischen den Rädern D' und £)"' gelegen ist, verhindert,
dass sich die Aufzieh-Bewegung direkt auf das Räderwerk überträgt. Die Beschreibung dieses Mechanismus,
welcher gleichzeitig die Bewegung des Räderwerkes während des Aufziehens in dem richtigen Sinne unter
hält. sowie eines anderen, welcher ein übermässiges Anspannen und Zerreissen der Kette verhindert, mögen
hier, als nicht unbedingt zum Verständnisse des eigentlichen chronometrischen Apparates nöthig, unter
drückt werden.
§ 6. Ueberblickt man nach dieser Besprechung der einzelnen Theile des Instrumentes nun nochmals
das Spiel des ganzen Mechanismus, so erkennt man, dass zwischen dem Motor und dem Regulator eine
Wechselwirkung in der Art besteht, dass einerseits der Regulator das durch das Räderwerk mit dem Motor
in Verbindung stehende Hemmungsrad nur zahnweise fortschreiten lässt und seine Bewegung gleichmässig
macht, und dass andererseits die nicht durch Reibung verlorene Kraft sich durch das Hemmungsrad auf
den Regulator überträgt, um die Schwingungen desselben zu unterhalten. — Auch möge hier noch besonders
darauf aufmerksam gemacht werden, dass der Regulator nur während der kurzen Zeit, wo er den Antrieb
durch das Hemmungsrad erhält, mit dem Räderwerke in Verbindung steht, sonst aber von diesem völlig
unabhängig seine Schwingungen vollführt; diese Einrichtung bildet das Wesen einer sogenannten „freien
Hemmung“ und ist eine der Hauptbedingungen für den guten Gang des Chronometers.
§ 7. Koch ein anderer sehr wichtiger Umstand, von welchem gleichfalls che Zuverlässigkeit der An
gaben des Instrumentes abhängt, möge hier in Kürze besprochen werden. Es wird trotz der Zwischen
schaltung der Schnecke zwischen Zugfeder und Räderwerk niemals in der Vollkommenheit gelingen, einen
für alle Zeiten konstanten Motor ‘für das Chronometer herzustellen. In Folge davon wird der Antrieb!
welchen das Hemmungsrad dem Regulator ertheilt, kleinen Schwankungen unterworfen sein, und in weiterer
Folge hiervon wird auch die Schwingungsweite des Regulators kleine Veränderungen erfahren. In gleicher
Weise sind die Schwankungen des Schiffes, die Bewegungen beim Transporte des Chronometers, Ver
änderungen in der Reibung der Unruhzapfen oder Verdickung des Oeles in den Zapfenlöchern im Stande,
die Schwingungsweite zu beeinflussen. Es ist demnach für den regelmässigen Gang des Chronometers ein
unbedingtes Erforderniss, dass die Dauer der Unruhschwingung durch die Verschiedenheit der Schwingungs
weite keine Veränderung erleide oder — in der Sprechweise des Technikers ausgedrückt —, dass der
Regulator „isochron“ schwinge. Aus diesem Grunde war die folgende Entdeckung, zu welcher Pierre Leroy
auf experimentellem Wege gelangte, für die Chronometrie von grösster Wichtigkeit; er fand: Es giebt bei
allen Spiralfedern von hinreichender Länge eine gewisse Länge, bei welcher alle Schwingungen — mögen
sie gross oder klein sein — isochron sind, d. h. in gleicher Zeitdauer vollendet werden. Bei grösserer
Länge der Spiralfeder werden die grossen Schwingungen langsamer als die kleinen ausfallen, und das Um
gekehrte findet bei geringerer Länge statt. — Durch spätere Untersuchungen wurde festgestellt, dass der
Isochronismus der Spirale nicht an eine ganz bestimmte Länge gebunden ist, sondern dass jeder Umgang
zwei sogenannte „isochrone Punkte“ enthält, welche — als Befestigungspunkte gewählt — den Isochronismus
hersteilen. Endlich fand der französische Ingenieur Phillips auf theoretischem Wege, dass man jede Spiral
feder isochron machen kann, indem man ihren Endkurven, d. h. denjenigen Tlieilen der Spirale, welche
in der Nähe der beiden Befestigungspunkte gelegen sind, eine ganz bestimmte, mathematisch zu ermittelnde