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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1894 JSio. 2 —
unmittelbar einzuseken, wenn man beclenkt, dass dort die Gestirne während ihres ganzen Umlaufes stets die
selbe Höhe behalten müssen, eine Höhe, welche, abgesehen von Refraktion, Parallaxe u. s. w., eben gleich der
Deklination des Gestirnes ist.) Der zweite Faktor des Koeffizienten von Ai, nämlich fang A, zeigt wieder an,
dass dort, wo 1 = 0, ein Fehler in der Zeit nur einen verschwindenden Einfluss auf die resultirende
Breite hat.
Umgekehrt wird wieder ein Zeitfehler bei Höhen in grösseren Stundenwinkeln von erheblichem Elinfluss
auf die gefundene Breite sein. Aus diesen Betrachtungen geht also der Satz hervor, dass Höhenmessungen
der Gestirne, wenn man Breiten allein ableiten will, entweder im Meridiane selbst, oder, wenn es andere
Gründe wünschenswert!! erscheinen lassen, nur in nächster Nähe des Meridians auszuführen sind.
F. Bestimmung der Breite durch Höhenmessungen des Polarsterns.
§ 15. Für die Nordhalbkugel der Erde bildet der Polarstern, so lange er in nicht zu
niedrigen Breiten, also nicht zu tief am Horizonte stehend, beobachtet werden kann, ein sehr geeignetes
Objekt für Breitenbestimmungen. Erstens ist er in jeder klaren Nacht sichtbar, zweitens als Stern zweiter
Grösse auch schon zu beobachten, wenn die Kimm noch einigermaassen gut gesehen werden kann, und end
lich drittens wegen seiner Nähe am Weltpol und der damit verbundenen langsamen scheinbaren Bewegung
leicht einzustellen und ausserdem wird die Höhenmessung auch in grossen Stundenwinkeln nicht erheblich
von der Kenntniss der Uhrkorrektion abhängig.
Man hat deshalb die Methode, nach der man Höhen des Polarsternes in geeigneter und bequemer
Weise „reduziren“ kann, besonders ausgebildet.
§ 16. Zunächst ist klar, dass man jede Höhenmessung auswerthen kann nach dem Gleichungssystem (24).
Es wird das deshalb für jeden Stundenwinkel angängig sein, weil in verhältnissmässig grossen Zeitintervallen
der Polarstern seine Höhe nur langsam ändert; man wird also, auch wenn die Zeit nur genähert bekannt ist,
doch eine gute Breite erhalten.
Bei diesem Verfahren hat man aber noch keinen Vortlieil gezogen von der geringen Entfernung des
Sternes vom Pol. Diese Entfernung — Poldistanz (p) — beträgt für die Gegenwart nur etwa 80 Bogen
minuten und wird im Laufe des nächsten Jahrhunderts sich noch wesentlich verringern, um dann später
wieder zuzunehmen. Berücksichtigt man diesen Umstand und bedenkt ferner, dass die Sinus so kleiner
Winkel mit den Bögen selbst vertauscht und die Cosinus der Einheit gleich gesetzt werden können, so lässt
sich die allgemein gültige Gleichung (3) auch anders schreiben und man kann dann h—x an Stelle von </>
setzen, wobei das x niemals grösser als 80' werden kann.
Betrachtet man das sphärische Dreieck zwischen Pol, Zenit und Polar
stern PZS (Fig. 3) und fällt vom Orte des Polarsternes ein Lotli auf die
Seite ZP, so wird das Stück PM nichts Anderes sein als das oben ein
geführte x. Das Dreieck PSM ist aber so klein, dass man es in Nähe
rungsformeln, wie sie hier abgeleitet werden sollen, ganz wohl als eben
betrachten kann und somit ist es gestattet, zu setzen x = p cos t und
y = p sin t, wenn man für das Lotli SM: y und für den Stundenwinkel
ZPS: t schreibt.
Dann würde in erster Näherung sofort
(27)
(fi = h—x — h—p cost sein.
Ist dann % die Sternzeit der Beobachtung und a die Rektascension des Polarsternes, so ist:
t = t — cc,
(27a) also auch cp = h—p cos (r — a).
Bei diesem Grade der Näherung würde es auch gestattet sein, p und a als konstante Werthe zu be
trachten und demgemäss mit % als Argument Tafeln aufzustellen, welche mit Hülfe der Kenntniss von Stern
zeit und Höhe sofort einen angenäherten Werth von y zu entnehmen gestatten. (Dieser Annahme entspricht
daher auch mit einer unwesentlichen Aenderung der Tafelwerth von Tafel II des Nautischen Jahrbuches.)