Dr. L. Ambronn: Breitenbestimmungen zur See.
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§ 4. In der praktischen Ausführung dieser Methode kommt also die Rechnung kaum in Betracht, sobald
die Elemente dazu beschafft sind, und diese bestehen in der wahren Mittagshöhe (grössten Höhe) des Ge
stirnes und in der Ermittelung von dessen Deklination. Das erstere Datum liefert die Beobachtung, das
zweite die Ephemeridensammlung oder das Jahrbuch.
Ist das beobachtete Objekt ein Fixstern, so ist an die wirklich beobachtete Höhe nur noch die Kor
rektion wegen Refraktion und Kimmtiefe anzubringen, im Falle der Sonne, des Mondes und der Planeten
aber auch noch die Halbmesser und die Parallaxe. Diese sogenannte „Beschickung“ (nach Breusing) einer
gemessenen Höhe zur wahren braucht hier wohl nicht eingehender erläutert zu werden, eine kurze Tabelle
für die einzelnen Fälle wird zur Information genügen:
Gemessene
Höhe
Augen-
Höhe
Korrektion
wegen
Kimmtiefe
Halb
messer*)
Parallaxe
Refraktion
Wahre
Höhe
Sonne: Unterer Rand
20° 15' 45"
5 m
-3' 59"
+15'32"
+ 8"
-5' 8"
20° 22' 18"
Mond: Oberer Rand
50 28 30
3
-3 5
-15 12
+58' 47"
-0 48
51 8 12
Mars
6 48 55
7
-4 42
—
+ 2
-7 30
6 36 45
a Tauri (Aldebaran)
70 33 10
10
-5 38
—
—
-0 20
70 27 12
Die Deklination des beobachteten Gestirnes wird aus dem Jahrhuche entnommen, und zwar hei Fix
sternen für die Kulmination des Beobachtungstages, bei Sonne, Mond und Planeten für den Moment der
Beobachtung nach Greenwicher Zeit.
Bei diesen Objekten ist noch besonders darauf zu achten, dass dieselben ihre grösste Höhe nicht im
Moment des Meridian-Durchganges erreichen, sondern wegen der Veränderlichkeit ihrer Deklination etwas
vor oder nach diesem Zeitpunkte. Man kann dann entweder mit der genau für den Moment der grössten
Höhe interpolirten Deklination rechnen, oder auch mit der für den Meridian-Durchgang gültigen, wenn man
dann nachträglich noch eine kleine Korrektion anbringt, die aber nur im Falle des Mondes so gross werden
kann, dass sie für Schiffsorte von Belang wird. Der Mond wird aber nur selten beobachtet und soll die
Ableitung dieser Korrektion erst später hei Gelegenheit der Besprechung der Circum-Meridianhöhen, da sie
dort auch für die Sonne von einiger Bedeutung wird, beigebracht werden.
§ 5. Wie schon bemerkt, ist die Bestimmung der Breite vermittelst einer einzelnen Kulminationshöhe
auf See hei weitem die verbreitetste, und es ist deshalb auch wohl angebracht, über die Ausführung der
nöthigen Beobachtungen etwas mehr zu sagen. Da eine Zeitangabe im Allgemeinen dabei nicht erforderlich
ist, sondern eine solche resp. eine genäherte Länge nur zur Interpolation der Deklination des beobachteten
Gestirnes benöthigt wird, so pflegt man dabei so zu Werke zu gehen, dass man schon 10—15 Minuten vor
der zu erwartenden Kulmination vermittelst des Spiegelinstrumentes Gestirn resp. Rand desselben mit der
Kimm zur Berührung bringt und nun in kurzen Intervallen diese Berührung immer wieder herstellt, da die
selbe durch die Veränderung der Höhe des Gestirnes gestört wird. So hält man Kimm und Gestirn dadurch,
dass man mittelst der Mikrometerschraube immer im entsprechenden Sinne die Alhidade verstellt, stets in
Berührung, und zwar so lange, bis der Sinn der Bewegungsrichtung der Schraube sich ändern müsste. Dieser
Moment ist derjenige der grössten resp. kleinsten Höhe. Ohne die Mikrometerschraube noch nach rückwärts
gedreht zu haben, muss die Stellung der Alhidade abgelesen werden. Der ahgelesene Winkel ist sodann gleich
der Höhe des Gestirnes über der Kimm, vorausgesetzt, dass die dem Spiegelinstrumente etwa eigenthümlichen
Felder angebracht sind.
Die Anweisung englischer Lehrbücher, die Genauigkeit der Messung dadurch etwas weniger von den
Schwankungen des Schiffes und der Kimm abhängig zu machen, dass man kurz vor und kurz nach der
grössten Höhe auch den Winkel, welchen das Instrument zeigt, abliest, kann nicht befürwortet werden,
weil dadurch leicht die grösste Höhe versäumt wird; es sei denn, dass man auch die Chronometerzeiten
der (3) Beobachtungen anmerkt. Dann wird aber auch eigentlich nicht die hier gegebene einfache Methode
zur Anwendung gelangen, sondern die nun zu behandelnde der Circum-Meridianhöhen.
*) Die Grösse des Halbmessers ist nicht die im Jalirbuche direkt gegebene und für den Mittelpunkt der Erde gültige,
sondern hängt selbst wieder von der gemessenen Höhe ab, wegen des Einflusses der Refraktion und dem veränderlichen
Abstande des Mondes oder der Sonne vom Beobachtungsorte gegenüber dem Abstande vom Erdmittelpunkte.