Dr. Willi. Meinardus: Beiträge zur Kenntniss der klimatischen Verhältnisse etc.
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Temperatur-Zunahme über dem Lande der über dem Meere vorauseilt und je beträchtlicher dort die Luft
druckabnahme ist, um so länger wird von Tag zu Tage die Dauer der Seewinde und um so weiter delmeu
sie ihr Gebiet land- und seewärts aus. Wenn die Differenz des mittleren Luftdrucks zwischen Meer und
Land ihr Zeichen gewechselt hat, werden die Seewinde vorherrschend, und die Fortsetzung dieses differen-
zirenden Vorgangs führt endlich zu einer vollständigen Beseitigung der Landwinde: die Seewinde wehen
beständig und die Differenz der täglichen Temperatur- und Luftdruck-Amplituden zwischen Meer und Land
macht sich nur noch in einer täglichen Periode der Stärke der Seewinde geltend. Die einzelnen Stadien
dieses Prozesses werden am frühesten im nördlichen Theil der Bai von Bengalen durchlaufen; denn die Luft
druckabnahme ist im nordöstlichen Theil Vorderindiens die grösste. Folgende Tabelle stellt die Windhäufig
keit in dem nördlich von 20° N. Br. gelegenen Theil der Bai für die Monate Januar bis März dar. Während
im Januar die nordöstlichen Winde noch vorherrschen, sind im Februar Winde aus dem südwestlichen
Quadranten am häufigsten, im März wehen keine nordöstlichen Winde mehr. Der Windwechsel hat sich
vollzogen, die Seewinde sind beständig geworden.
Prozentische Windhäufigkeit im nördlichen Theile der Bai ")
N
NE
E
SE
s
SW
W
NW
Still
nördlich von 20° N. Br. bis !
0° O. L. Januar . .
25
21
6
4
9
12
9
5
9
nördlich von 20° N. Br.
Februar .
15
10
7
5
12
25
9
s
9
nördlich von 20° N. Br.
März ....
0
1
h
7
29
4G
8
2
4
*) Nach den „Weather Charts“.
In anderer Weise wie an der west-östlich verlaufenden bengalischen Küste äussert sich der Einfluss
der Luftauflockerung über dem Lande an den Küsten der vorder- und hinterindischen Halbinsel auf die
Richtungsänderung des Windes. An der Ostküste Vorderindiens sind Winde aus dem östlichen und südöst
lichen, an der Westküste Hinterindiens Winde aus dem westlichen Quadranten Seewinde. Weil nun die nord
östlichen Winde die zu Beginn des Jahres vorherrschenden sind, so macht sich die allmählich zunehmende
Herrschaft der Seewinde an jener Küste durch eine Drehung des .Windes nach E und SE, an dieser Küste
durch eine Drehung nach NW und W erkennbar. Jedoch erfolgt diese Drehung nicht gleichzeitig an der
ganzen Küstenlinie, vielmehr schreitet die Drehungstendenz von Norden nach Süden vor: der gleiche Betrag
der Drehung wird im Süden später erreicht als im Norden. Ausser dieser von Norden nach Süden zunehmen
den Verspätung findet auch eine Verspätung derselben Erscheinung seewärts statt, indem von jedem Punkte
der Küstenlinie sich die Tendenz zu auflandigen Winden allmählich in die See ausbreitet, und die Seewinde
ein immer grösseres Gebiet der Bai in Anspruch nehmen, während sich der NE-Monsun mehr und mehr
auf die zentralen, küstenfernen Gebiete des Meei'es beschränkt sieht.
Ehe wir diese Vorgänge durch einige Tabellen erläutern, möge ein Blick auf die ihnen zu Grunde
liegenden Aenderungen in der Luftdruck-Vertheilung geworfen werden. Die Hauptangriffspunkte der luftauf-
lockernden Kraft der Sonnenbestrahlung liegen' über dem kompakten nordöstlichen Theile Vorder- und nord
westlichen Theile Hinterindiens. Hier, im Rücken des NE-Monsuns der Bai, beginnt von Januar ab eine
so schnelle Abnahme des Luftdrucks, dass bereits um Ende Februar die Gradienten im nördlichsten Theil
der Bai nicht mehr wie in den voraufgehenden Monaten nord-südlich, sondern vom Meere senkrecht gegen
die nächste Küste gerichtet sind: Es wird über dem nördlichen Theil der Bai ein nach NW, N und NE
gegen die Küsten von Orissa, Bengalen und Burma einerseits und gegen die äquatoriale Luftdruckfurche
im Süden andererseits abfallender Rücken hohen Luftdrucks abgesondert oder, anders ausgedrückt,
es verschiebt sich das Luftdruck-Maximum von Norden nach Süden; denn im Januar lag es noch über den
nördlichen Theilen Vorderindiens. Weil nun in den folgenden Monaten die rasche Luftdruck-Abnahme über
Nordostindien und über Burma anhält und sich dort zwei Depressionen entwickeln, so werden dem nord-
südlichen Luftdruckgehänge, welches über der Bai den NE-Monsun unterhält, von Norden her immer neue
Gebiete entzogen und dem Gebiet der auflandigen Gradienten hinzugefügt: das Luftdruck-Maximum wird von
Norden her abgetragen, der Luftdruck wird über immer südlicher gelegenen Punkten relativ am höchsten.