Dr. Willi. Meinardus: Beiträge zur Kenntniss der klimatischen Verhältnisse etc.
II
Zunächst sollen clie Luftdruck- und Windverhältnisse besprochen werden.
Weil in der Nähe des Aequators namentlich auf den Ozeanen, wo die Reibung der Luft an der Erd
oberfläche gering ist, ausserordentlich kleine Luftdruck-Differenzen die Windverhältnisse bestimmen, — denn
der Ausgleichung von Luftdruck-Differenzen ist nur die Reibung aber keine Ablenkung der bewegten Luft
durch die Erdrotation hinderlich — so würden viel genauere Luftdruck-Beobachtungen, als uns bis jetzt zu
Gebote stehen, nothwendig sein, um die aus ihnen ermittelte Luftdruck-Vertheilung als eine der wahren ent
sprechende ansehen und mit ihrer Hülfe ein unabhängiges, zutreffendes Bild von der Vertheilung der hori
zontalen und vertikalen Bewegungs-Verhältnisse der Luft entwerfen zu dürfen. Vielmehr ist man gezwungen,
den umgekehrten Weg einzuschlagen. Von den Windverhältnissen ausgehend, ist unter Beachtung der für
die Luftbewegung auf der Oberfläche der rotirenden Erde gültigen Gesetzen der Versuch zu machen, einen
Einblick in die Vertheilung des Luftdrucks über einer äquatornahen Gegend zu gewinnen. Wir machen
daher im Folgenden gelegentlich von dem Lehrsatz der Aerodynamik Gebrauch, dass in unmittelbarer Nähe
des Aequators Gradient- und Windrichtung annähernd zusammenfallen, dass aber der Richtungs-Unterschied
von Gradient und Wind mit der geographischen Breite rasch wächst und z. B. etwa unter 8° Br. schon
2 Strich der 16theiligen Kompassrose beträgt, falls die Luftbewegung gleichförmig und gradlinig, und der
Reibungscoeffizient 0,00002 ist. J )
Es wird aus den angeführten Gründen erforderlich, um die Luftdruck-Vertheilung in der äquatorialen
Zone darstellen zu können, sich zuerst über die Windverhältnisse zu orientireD, während bisher aus der
Kenntniss der Luftdruck-Vertheilung die Windverhältnisse entwickelt werden konnten.
Schiffe, welche mit meridionalem Kurse die äquatorialen Gebiete des östlichen indischen Ozeans durch
queren, treffen nördlich vom SE-Passat in den Monaten Dezember bis März meist nordwestliche, in den
übrigen Monaten südwestliche Winde, welche von dem SE-Passat einerseits und (von November bis März
oder April) von dem NE-Monsun andererseits durch veränderliche Winde getrennt oder seltener durch eine
allmähliche Drehung des Windes mit ihnen verbunden sind. Die Zeitpunkte, in welchen eines dieser Wind
systeme erreicht oder verlassen wird, sind in der Mehrzahl der Fälle durch das plötzliche Einsetzen oder
Auffrischen resp. Aufhören oder Abflauen des betreffenden charakteristischen Windes ziemlich scharf be
zeichnet, und daher auch die geographischen Breiten der Grenzen der Windgebiete in jenen Zeitpunkten
bestimmbar. Aus einer grösseren Zahl derartiger Grenzbestimmungen lassen sich die mittleren Grenzen
der Windgebiete berechnen. Im Segelhandbuch für den indischen Ozean sind die auf viele Beobachtungen
gestützten Ergebnisse einer solchen Berechnung tabellarisch und graphisch dargestellt (S. 518 u. 520). Dieser
Zusammenstellung sind die auf der linken Seite der folgenden Tabelle stehenden Werthe entnommen.
Grenzen der Windgebiete im äquatorialen östlichen Theil des indischen Ozeans.
Mittlere
Grenzen
Engere Grenzen
SE-Passat
Westliche Winde
NE-Monsun
SE-Passat
Westliche Winde
NE-Monsun
N-Grenze
S-Grenze
N-Grenze
S-Grenze
N-Grenze
S-Grenze
N-Grenze
S-Grenze
November
5° S.Br.
3?5 S. Br.
4° N. Br.
8° N. Br.
6° S.Br.
1°
S. Br.
4° N. Br.
10°
N. Br.
Dezember
V »
5°
3° »
5° >
8° '»
3°
»
o° »
6°
3>
Januar
9?5 »
7° »
1?5 »
3?5 »
1
4”
>
2° »
4°
Februar
10?5 »
8?5 »
0° »
3?5 »
Ul—12° »
5“
2° »
40
>
März
9?5 >
7° »
1?5 >
4° »
!
5°
1° »
5°
April
S?5 >
5° »
• O
O«
6° »
S° >
3°
4° »
(8°
> )
Mai
6° »
i° »
—
—
8° 2
2°
—
—
Juni
5° »
0?5 »
—
—
6° >
i°
S>
Juli—Oktober ....
5° -
1°
—
—
Die mittleren Grenzen der Windgebiete sind im W T inter und Frühjahr einer Schwankung unterworfen,
welche von November bis Februar in einer Südwärtsbewegung, von da bis Juni in einer Nordwärtsbewegung
besteht. Aber die Schwankungsweite der mittleren Grenzen ist verhältnissmässig klein gegenüber dem
') A. Sprung, Lehrbuch der Meteorologie. Hamburg 1885. S. 120 ff.