E. Knipping: Die tropischen Orkane der Südsee zwischen Australien etc.
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Aus jedem starken anhaltenden Kegen kann sich ein Orkan entwickeln. Das beiden Gemeinsame ist
ein kräftiger, aufsteigender Luftstrom, dessen Wasserdampf schnell zu Regen verdichtet wird. In den
meisten Fällen überleben sich diese vertikalen Ströme bald, um durch andere ersetzt zu werden, nur ganz
selten gelangt einer in genügendem Maassstab zur weiteren Entwickelung und wird zum Orkan.
Während der Entwickelungs-Periode, die mehrere Tage dauern kann, ist die Peilung kleiner als sonst
in gleichem Abstande; die Luft strömt der Mitte mehr geradlinig zu. Wind, Wolken und See geben dabei
weniger Warnung, als Barometer und Regen.
Inseln überhaupt begünstigen aufsteigende Ströme, Inseln von einiger Höhe erleichtern als Windscheiden
auch den Anfang der Winddrehung; sind sie ausserdem von Küstenriffen umgeben, so liegen die Bedingungen
zur Orkanbildung am günstigsten. Auf Orkane, die sich im Norden der Inselgruppen gebildet haben, üben
die letzteren insofern eine Anziehung aus, als sie ihnen günstigere Entwickelungs-Bedingungen bieten als
die See allein. Bei den grösseren Gruppen findet man deshalb Orkane häufiger und durchschnittlich besser
entwickelt als anderswo. *)
Festländer, wie Australien, beschleunigen die Auflösung, Inseln die Entwickelung.
Auf den Luisiaden-, Salomon- und Banks-Inseln entwickeln sie sich vermuthlich seltener, solange hier
der Nordwest-Monsun entschieden herrscht.
Bis die eigenen Beobachtungen genauere Auskunft geben, mag als vorläufige Bahnrichtung gelten: im
Korallenmeer SW, an der australischen Küste SE, im Süden der Inseln und im Osten SE. Nördlich von
den grösseren Gruppen, wo die Richtungen zwischen SW und SE schwanken, nehme man zunächst S an
und berücksichtige, dass die Orkane mit Vorliebe in der Nähe der grösseren Gruppen Vorbeigehen.
Eine richtige Schätzung der Bahn nach eigenen Beobachtungen an Bord wird dadurch erschwert, dass
die Peilung immer etwas unsicher und veränderlich ist, die Windrichtung vor, besonders rechts vor dem
Zentrum oft um mehrere Striche hin und her schwankt, ehe die endgültige Winddrehung eintritt. Erleichtert
wird sie durch die Annahme einer gradlinigen, gleichförmigen Bewegung des Zentrums, mit deren Hülfe
die Peilungen ausgeglichen werden. Die Entfernung lässt sich nach Windstärke, Barometer, See und Schnellig
keit der Windänderung schätzen.
Als Geschwindigkeit in der Bahn kann man auf SE-Kursen, frei von den Inseln, 10 bis 15 Sm. rechnen,
im nördlichen Korallenmeer 3 bis 5, nördlich von den Inselgruppen 3 bis 10 Sm.
Die gefährlichsten Winde sind NE bis SE; bei Sturm aus NE liegt das Zentrum wahrscheinlich in
NW bis WNW, bei SE-Sturm in NNE bis NNW.
Auch ohne bestimmte andere Anzeichen sind NE-Winde in der Orkanzeit an und für sich verdächtig.
Winke zum Manövriren.
Die folgenden Winke können selbstverständlich nur das erste, nach allgemeinen Gesichtspunkten Zweck
mässige berühren, bis man sich an Bord über seinen besonderen Fall orientirt hat.
I. Reisen von Süd nach Nord:
A. Im Südwesten, Süden und Osten der grösseren Gruppen ist die Bahnrichtung vermuthlich SE, die Ge
schwindigkeit 10—15 Sm.
a) SE- bis E-Wind. Der Südost-Passat frischt allmählich zum Sturme auf.
a) Ist der Sturm stetig in seiner Richtung, der Barometerstand verhältnissmässig hoch, der
Fall gering,- so dreht man auf B. B.-Halsen bei.
ß) Wechselt dagegen die Windrichtung mehrere Striche um ESE herum, bei tieferem Barometer
stand, entschiedenerem Fall, so wählt man S. B.-ITalsen.
I) NE-Wind. Ist man mit östlichen Winden Kurs gesegelt bis der Wind NE wurde und stürmisch,
so sind bei schnellem Barometerfall B. B.-Halsen vorzuziehen.
Der Dampfer, wenn er möglichst sicher gehen will, steuere östlich von N.
c) S-Wind. Geht der Passat ziemlich schnell nach S herum, zum Sturm anwachsend, so wähle man
S.B.-Halsen; bei langsamen Aenderungen dagegen halte man nach Nordwesten ab.
*) Aehnlich die west-indischen Orkane, die meist erst zur Bedeixtung gelangen, wenn sie die Inseln erreicht haben.
Archiv 1893. 1.
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