Archiv 1891. 2.
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No. 8.
Ableitung des Ausdrucks für die Ablenkung einer Magnetnadel durch einen Magnet,
dessen Lage im Raume eine beliebige sein kann.
Von Prof. Dr. Bürgen,
Vorstand des Kais. Marine-Observatoriums zu Wilhelmshaven.
Hie Aufgabe, die Ablenkung einer frei beweglichen Magnetnadel durch einen festliegenden Magnet
zu bestimmen, ist bisher nur für bestimmte Fälle gelöst worden, bei welchen gewisse, die Lage des Ab
lenkungsmagnets beschränkende Annahmen gemacht wurden. Die allgemeine Aufgabe, bei welcher die Lage
des Magnets zur Nadel eine ganz beliebige sein kann, die den Gegenstand dieser kleinen Arbeit bildet, ist
bisher, soviel wenigstens dem Verfasser bekannt ist, nur von Gauss und von Lamont für den speziellen
Fall, dass es sich um sehr kleine Ablenkungen aus relativ sehr grossen Entfernungen handelt, bei denen
alle höheren Glieder vernachlässigt werden können, behandelt worden. Nachdem durch F. Kohlrausch’s
schöne Methode zur absoluten Bestimmung der Horizontal-Intensität des Erdmagnetismus durch bifilare
Aufhängung eines Magnets, welcher zugleich auf eine unifilar aufgehängte Nadel ablenkend wirkt, das bis
dahin allein maassgebende Prinzip, den Ablenkungsmagnet senkrecht auf eine gegebene Richtung (magne
tischer Meridian oder Nadel) zu stellen, verlassen war, so erschien es nicht ohne Interesse, die Aufgabe,
die Ablenkung einer Nadel durch einen Magnet zu bestimmen, von allen Beschränkungen zu entkleiden
und dieselbe ganz allgemein bis zu der Grenze der Entwickelung zu lösen, welche dem praktischen Bedürf-
niss, wie es sich bisher geltend gemacht hat, entspricht. Spezielle Veranlassung, die immerhin etwas weit
läufige Entwickelung zu unternehmen, gaben dem Verfasser die Erwägung, dass es wünschenswerth sein
könne, die Formel für das absolute Bifilar um ein Glied weiter zu führen, als Kohlrausch es gethan
hat, auch die in Kohlrausch’s Formel vernachlässigten, allerdings sehr kleinen Glieder kennen zu lernen,
um danach die Berechtigung ihres Fortfallens zu beurtheilen, und endlich am meisten der Umstand, dass
bei der Aufstellung des Bifilars in Wilhelmshaven die Magnetometernadel um einen gewissen Betrag höher
liegt als der Biülarmagnet, wodurch es uothwendig wurde, die hieraus entspringenden Korrektionen abzu
leiten. Es schien nun, als ob die Entwickelung der Formel für das Bifilar in der angedeuteten Ausdehnung
kaum viel weniger weitläufig sein werde, als die der ganz allgemeinen Aufgabe. Dazu kam noch die weitere
Erwägung, dass man mit grösster Leichtigkeit von der allgemeinen Formel auf Spezialfälle übergehen kann,
während sonst für jeden Einzelfäll eine besondere Entwickelung nothwendig ist. Die Entwickelung schliesst
sich sowohl in der Art ihrer Durchführung wie in der Wahl der Bezeichnung durchaus an die von Lamont
in seinem „Handbuch des Erdmagnetismus“ angewendete an*); sie ist bis zur siebenten negativen Potenz
der Entfernung durcbgeführt, eine Grenze, welche auch von Lamont innegehalten worden ist und die
auch für alle vernünftigerweise in der Praxis vorkommenden Anwendungen ausreicht. Es darf daher an
genommen werden, dass die hier gegebene Entwickelung jedem Bedürfnisse genügen werde. Auf ihre
Richtigkeit ist alle mögliche Sorgfalt verwendet worden und ist sie so geführt worden, dass jedes einzelne
Glied mit Leichtigkeit auch später noch geprüft werden kann.
*) „Handbuch.“ III. Abschnitt. S. 21 ff.