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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1891 No. 4 —
wegs unbedeutende, so dass wenigstens für diesen Theil der Ostsee die allgemeine Annahme grösserer
Windstärke auf offener See als an der Küste nicht als für jeden Einzelfall zutreffend sich erweisen würde.
Die wärmere und kältere Jahreszeit verhalten sich in dieser Hinsicht verschieden. In der kälteren
Jahreszeit (hier sich vorwiegend nur auf die Monate Oktober bis Dezember beziehend) überwiegen die auf
Adlergrund und Rügen gleichzeitig beobachteten Sturm-Erscheinungen wesentlich die von Rügen und nicht
von Adlergrund gemeldeten. In der wärmeren Jahreszeit ist gerade das Gegentheil der Fall. Demnach
findet sich das in der voranstehenden Untersuchung Gesagte bestätigt, dass in der wärmeren Jahreszeit
die lokaleren Sturm-Erscheinungen vorherrschend sind, die sich der vorliegenden Zusammenstellung nach
von der Küste aus nicht weit über See erstrecken dürften.
Der gleiche Gegensatz zwischen Winter und Sommer ist in der Tabelle ausgeprägt. Im ersteren
bleiben Thiessow, Stolpmünde und Leba in Bezug auf Anzahl der stürmischen Winde an den Termin-
Beobachtungen und der stürmischen Tage erheblich hinter Adlergrund zurück. Im letzteren übertreffen
sie in dieser Hinsicht das Feuerschiff und nur Leba hat von den genannten Signalstellen etwa die gleiche
Anzahl Sturmtage wie jenes gemeldet, welche Abweichung dem besonders starken Zurücktreten stürmischer
östlicher Winde gegenüber den anderen Stationen zuzuschreiben ist.
Da die Zahlen der Tabelle nur auf Schätzungen der Windstärke beruhen, so erscheint es geboten,
dieselben nur als relativ zu nehmen. Bei Arkona ergiebt leider ein Blick auf die zu demselben gehörigen
Zahlen eine grosse Vernachlässigung der Zwischenstriche in der Windrichtung, so dass die 8 Hauptrichtungen
übermässig überwiegen und dadurch die Vergleichbarkeit vielfach gestört wird, selbst einzelner Summen,
wie z. B. die der Winde aus den Südrichtungen (E—WSW) und den Nordrichtungen (W—ENE).
Der Einfluss der Lage zu Wasser und Land an der Küste springt auch in der nachstehenden Tabelle
durch das Zurücktreten der östlichen und südlichen stürmischen Winde zu Stolpmünde und Leba scharf
hervor. Dem frei gelegenen Adlergrund kommt in seinen Relativzahlen Wittower Posthaus am nächsten.
Auch für den vorliegenden Zeitraum überwiegen an allen hier genannten Beobachtungsorten die stür
mischen Winde mit westlicher Komponente (einschliesslich S) die mit östlicher Komponente (einschliesslich N)
erheblich. Bei Eintheiluug der Winde in südliche (einschliesslich E) und nördliche (einschliesslich W) zeigt
sich an den freigelegenen Stationen Adlergruud, Wittower Posthaus, Thiessow und Heia — Arkona muss aus
angeführten Gründen hier ausser Betracht bleiben — ein verschiedenes Verhältniss derselben in den ver
schiedenen Jahreszeiten. In der kälteren Jahreszeit treten die südlichen, in der wärmeren die nördlichen
stürmischen Winde hervor. Der Einfluss der Küstenlage lässt zu Stolpmünde und Leba auch in der kälteren
Jahreszeit die stürmischen Winde aus E—WSW gegen die aus W—ENE an Häufigkeit etwas zurücktreten.
Ein besonderes Interesse bietet die Vergleichung der Summen der stürmischen Winde aus dem west
lichen und östlichen Quadranten einerseits und der Summen aus dem nördlichen und südlichen Quadranten
andererseits (NE, SE, SW und NW je zur Hälfte zu jeder Summe gerechnet) für die ziemlich gleich frei-
gelegenen Orte Adlergrund und Heia und die Beobachtungs-Termine 8°, 2 p , 8 P .
Für die hier in Betracht kommenden Zeiträume erhält man folgende Zahlen:
Kältere Jahreszeit Wärmere Jahreszeit
Adlergrund . . . '(E, W) 120 (S, N) 49 (E, W) 54 (S, N) 11
Heia « 167 « 121 « 70 « 57
Also sowohl in der kälteren als in der wärmeren Jahreszeit ist das Verhältniss (S, N) : (E, W) ein
wesentlich grösseres für Heia als für Adlergrund, d. h. entsprechend der längeren Erstreckung des Wassers
der Ostsee in der Richtung von Süd nach Nord im Meridian von Heia als in dem von Adlergrund gewinnen
daselbst die stürmischen Winde aus den dieser Richtung benachbarten vier Oktanten an relativer Häufig
keit gegenüber denen aus den anderen Richtungen und zwar ist es in der kälteren Jahreszeit der S-Quadrant,
in der wärmeren der N-Quadrant, welcher in diesem Sinne die Verhältnisszahlen beeinflusst.
Die in der vox-anstehenden Abhandlung (S. 4) bereits ausgespi'ochene Vermuthung, dass der allge
meinere Verlauf der. Grenze zwischen Wasser und Land einen Einfluss auf die Häufigkeit der stürmischen
Winde dahin ausübt, dass die jener Grenze nahezu gleichgerichteten stürmischen Winde an relativer Häufig
keit gewinnen, bestätigt sich auch hier.
Die Hinzuziehung des Feuerschiffes „Adlergrund“ in den Kreis der Betrachtungen über das Auftreten
stüi’mischer Winde über der deutschen Ostsee zeigt aufs Neue, wie wenig die Beobachtungen an vereinzelten