Dr. E. Herrmann: Die stürmischen Winde an der Deutschen Küste in den Jahren 1878—87.
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Keineswegs enthalten ferner die Tabellen Via und b nur diejenigen Fälle, in welchen unter beständigem
Anhalten der stürmischen Stärke der Wind aus einer Richtung in eine andere umging, sondern alle die, in
welchen entweder an demselben Tage oder an zwei aufeinander folgenden stürmische Winde an dem bezüg
lichen Küstentheil überwiegend aus verschiedenen Quadranten wehten, auch wenn dazwischen ein vorüber
gehendes Abflauen statthatte.
Bei der grossen Verschiedenheit der bei den einzelnen Quadranten zu Grunde zu legenden Häufigkeits
zahlen ergiebt die Reduktion in Prozenten der überhaupt auftretenden stürmischen Winde aus der einzelnen
Richtung Werthe von sehr verschiedener allgemeinerer Gültigkeit. Es muss daher den auf die Monate mit
ruhigerem Wetter, sowie auf die Ostrichtungen Bezug habenden Zahlen nur eine beschränkte Bedeutung
zuertheilt werden.
Am meisten Interesse bieten die Westrichtungen, einerseits ihrer grösseren Häufigkeit wegen, anderer
seits auch der besonderen Gefahren, welche der Uebergang stürmischer Winde aus Südwest in Nordwest für
die Deutsche Küste mit sich bringt.
Der Uebergang aus stürmischem Südwest in Nordwest ist an der Nordsee verhältnissmässig am häufigsten
im Februar, März und Oktober, an der westlichen Ostsee im Februar und an der östlichen im März und
November; bei Vergleichung der einzelnen Küstenstrecken findet derselbe an der westlichen Ostseeküste am
seltensten statt.
Das Zurückdrehen der stürmischen Nordwestwinde nach Südwest kommt an allen drei Küstentheilen
bei Berücksichtigung der ausgedehnteren Kategorien b und c am häufigsten im Monat Januar, ferner hervor
ragend häufig im Februar und Oktober vor. Die kleinsten relativen Häufigkeitszahlen weist die östliche
Ostsee auf.
Den stürmischen Nordwestwinden geht an der Nordseeküste am häufigsten im Januar und Februar,
bei den Erscheinungen der Kategorie c auch im März ein Südweststurm voran; an der westlichen Ostsee
ist dies im Oktober und November, an der östlichen Ostsee im März, November und Dezember der Fall.
Auch in Prozenten der zweiten Winde treten für das Zurückgehen der stürmischen Winde aus Nordwest
in Südwest an allen drei Küstenstrecken die Monate Januar, Februar und Oktober hervor. Das Verhältniss
eines Umgehens der stürmischen Winde aus Südwest in Nordwest zur Häufigkeit der zweiten Richtung ist
kleiner an der Ostsee als an der Nordsee; für den Richtungswechsel aus Nordwest in Südwest im Allgemeinen
am kleinsten an der östlichen Ostsee.
III. Feststellung der Luftdruck- und Temperatur-Verhältnisse, unter denen
stürmische Winde an einzelnen Küstenstrecken auftraten.
Bei der Durchsicht der die Luftdruckvertheilung über Europa darstellenden Karten zeigte sich, dass
bei der weitaus überwiegendsten Zahl der Fälle, in welchen stürmische Winde an der Deutschen Küste
auftraten, der allgemeine Verlauf der Isobaren — von den in grösserer Nähe des Luftdruck-Minimums
liegenden und dasselbe somit umgebenden natürlich abgesehen — auf grössere Strecken ein ziemlich gerad
liniger war. Dieser Umstand, welcher also an sich schon eine gewisse Sturmgefahr andeutet, ergab eine
bequeme Grundlage für die Eintheilung der verschiedenen Phänomene. Die Lage des hohen bezw. des
höchsten Luitdruckes über Europa wurde bei der folgenden Klassifikation in erster Linie in Betracht ge
zogen und die betreffende Gruppe mit dem üblichen Buchstabenzeichen der entsprechenden Himmelsrichtung
versehen, so dass N bedeutet, dass der hohe Luftdruck im Norden Europas sich befindet u. s. w. Im Allge
meinen konnte man sich dabei auf acht Hauptrichtungen beschränken. Indessen fanden sich doch einzelne,
Zwischenglieder darstellende Gruppen, welchen alsdann das Zeichen der beiden benachbarten Himmels
richtungen zuertheilt wurde.
Auch in den einzelnen Hauptklassen bedurfte es noch mancher Unterscheidung. Von einem diese
Unterschiede charakterisirenden Zeichen wurde jedoch abgesehen und bei diesen Unterabtheilungen nur ein
Zahlenindex der Himmelsrichtung beigesetzt. Mit verhältnissmässig kurzen Worten liessen sich alsdann
die bei den Sturmerscheinungen der einzelnen Gruppen sich abspielenden allgemeinen atmosphärischen
Vorgänge, sowie die bestehenden Luftdruck- und Temperatur-Verhältnisse schildern. Nur einige wenige
Erscheinungen wichen von der gegebenen Charakteristik ab. Diese letzteren sind als Zusätze den Gruppen
zuertheilt, mit denen sie in ihrem Verlauf am meisten Aehnlichkeit hatten.