Aus dem Archiv der Deutschen See warte — 1891 No. 4 —
In den Mer nicht veröffentlichten Zusammenstellungen zeigt sich, dass in der Regel zu gleichen Zeiten resp.
an gleichen Tagen wie an den eben genannten auch an benachbarten, aber geschützter gelegenen Stationen
stärkere Winde wehen, oder dass für ähnlich gelegene Orte ebenfalls stürmische Winde verzeichnet sind.
Auch dieser Umstand spricht für die hier vertretene Ansicht, dass im Wesentlichen die örtliche Lage
diese Verschiedenheiten bedingt. Diese Auffassung erhält noch mehr Bestärkung durch die Gestaltung der
Windrosen auf jener Tafel von Swinemünde aus ostwärts bis Stolpmünde. Je weiter diese Stationen nach
Nordosten gelegen sind, je grössere Meeresflächen bei sonst gleich gerichteter Erstreckung der Küste im
Westen von ihnen liegen, um so häufiger ist das Auftreten stürmischer Winde.
Noch mehr tritt der Einfluss der örtlichen Lage hervor, wenn die einzelnen Windrichtungen berück
sichtigt werden. Wie zu erwarten und bekannt, übt das Land einen stark abschwächenden Einfluss auf die
über dasselbe wehenden Winde aus. Dies spricht sich unzweideutig an den Windrosen benachbarter, aber
in den einzelnen Himmelsrichtungen nach dem Meere hin verschieden frei gelegenen Stationen aus, wie
Arkona und Wittower Posthaus einerseits und Dasserort andererseits, sowie Heia bezw. Brüsterort und
Pillau. Während bei den ersteren Orten dieser beiden Gruppen die stürmischen Ostwinde eine erhebliche
Häufigkeitszahl haben, ist die entsprechende Zahl für die an zweiter Stelle genannten Stationen eine äusserst
geringe. Auch an der Nordseeküste sieht man zu Cuxhaven und Weserlouchtthurm die nordwestlichen
Winde in der Jahreszusammenstellung besonders hervortreten. Wie bedeutend die Lage der Station in
Bezug auf Wasser und Land das Auftreten stürmischer Winde aus den verschiedenen Richtungen beeinflusst,
zeigen auch die Sturm-Verhältnisse zu Hammershus auf Bornholm, welche des Vergleichs wegen in die
kartographische Darstellung aufgenommen wurden. Bei Weitem überwiegen Mer an Häufigkeit der stür
mischen Stärke die Richtungen, welche senkrecht zur die Insel mit dem schwedischen Festland verbindenden
kürzesten Linie stehen, also Süd west und Nordost.
Dass die über Land wehenden Winde wesentlich schwächer sind als die zu gleicher Zeit über See
wehenden, ist eine alt bekannte Erfahrung und so feststehend, dass das eben Gesagte kaum als Bestätigung
derselben anzusehen ist. Die in der Tafel 13 vorliegenden Windrosen scheinen aber noch einen anderen
Einfluss des Gegensatzes von Wasser und Land auf die Windstärken der Küstenstationen anzudeuten. Es
macht nämlich den Eindruck, als ob ganz besonders die Windrichtungen hervortreten, welche in dem Zuge
der Küste liegen und zwar umsomehr, als der zunächst liegende Küstentheil dem allgemeinen Verlauf der
Grenze zwischen Wasser und Land folgt. Einerseits überwiegen im Allgemeinen an der Deutschen Küste
in den Sturmrosen die Richtungen aus den zu beiden Seiten von West und Ost liegenden Oktanten nicht
nur gegenüber dem Süd, sondern auch dem Nord benachbarten Oktanten. Andererseits zeigen die an
Biegungen der Küste nach Norden liegenden Orte eine wesentlich geringere Sturmhäufigkeit als ihnen nahe
und an einem in west-östlicher Richtung verlaufenden Küstentheil gelegene Plätze, z. B. Tönning, Keitum,
Wustrow und Memel. Ueber einen solchen Einfluss lassen sich sehr wohl theoretische Vorstellungen machen
und zwar Hesse es sich ebenso gut erklären, dass ein gleich gerichteter Verlauf der Küste auf längerer
Strecke eine Verstärkung der längs derselben wehenden Winde herbeiführt, als dass gerade auf das Land
wehender Wind eine Abschwächung erleide. Das vorHegende Material deutet, wie.bemerkt, diese Fragen
nur an und müssen dieselben hier offen gelassen werden.
Die soeben besprochenen Abhängigkeiten der Häufigkeit stürmischer Winde von der Lage der Orte
äussern sich meist gleichmässig auf gewisse Küstenstrecken oder bewirken wenigstens eine stetige Aenderung
der Sturmverbältnisse längs der Küste. In den Häufigkeitszahlen der stürmischen Winde spiegeln sich aber
auch ganz lokale, nur auf die Beobachtungsstelle Bezug habende Umstände ab. Die geschütztere Lage der
Wohnung des Beobachters im Wohnplatz mag z. B. die Veranlassung zu der auffallend geringen Anzahl der
Notirungen stürmischer Winde in Norderney geben. Ebenso erweist sich erfahrungsmässig eine Beobach
tungsstelle am Rande einer steil abfallenden Kfippe keineswegs als von See kommenden Winden besonders
stark ausgesetzt, sondern sind die Windstärken für solche Richtung daselbst geringer, als auf dem Lande
in einiger Entfernung von dem KHppenrande.
Die Betrachtung aller dieser Einflüsse zeigt, welche ausgedehnten Untersuchungen und Feststellungen
der Reduktion einer am einzelnen Ort beobachteten oder gemessenen Windstärke auf die Windverhältnisse
eines grösseren Gebietes vorangehen müssen. Keineswegs kann es wohl als zulässig erscheinen, selbst nicht
um Annaherungswerthe zu erhalten, das Verhältniss der Jahresmittel der Windstärken an zwei verschiedenen
Orten, als auch für die Windstärken im Einzelfalle gültig anzunehmen. Durchaus nicht statthaft dürfte