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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1891 No. 4 —
Die Wichtigkeit des Sturmwarnungswesens, welche schon in dem grossen dabei zur Anwendung gelangen
den Apparat ihren Ausdruck findet, schien es dringend zu gebieten, die in dieser Richtung gesammelten Er
fahrungen niederzulegen und damit verbundene Fragen aus dem nunmehr für eine grössere Reihe von Jahren
vorliegenden Material zu beantworten. Eine solche offene Darlegung der Grundlagen dürfte noch einen
Werth darin haben, dass sie das Vertrauen in diese Einrichtung fördert. Sie lässt erkennen, welch’ innere
Bedeutung der Erlass einer W T arnung hat und tritt ebenso sehr einer von vornherein absprechenden Kritik als
auch einer zu optimistischen Auffassung in Bezug auf die Sicherheit des einer Warnung folgenden Sturm
eintrittes entgegen.
Die in Folgendem gegebene Untersuchung über die stürmischen Winde an der Deutschen Küste erstreckt
sich auf die zehn Jahre 1878 bis 1887. Zur Grundlage dienen derselben die Gesichtspunkte, welche in der
Instruktion für die Signalstellen der Deutschen Seewarte, 3. Ausgabe, 1889, auf Seite X, durch fetten Druck
hervorgehoben, niedergelegt sind. Eben diese Gesichtspunkte geboten, das Beobachtungsmaterial von möglichst
vielen Orten bei der Bearbeitung heranzuziehen. Desshalb gelangten die Tagebücher sämmtlicher Signal
stellen und Normal-Beobachtungs-Stationen der Seewarte an der Deutschen Küste (zur Zeit 47 Beobachtungs
orte) zur Berücksichtigung. Es blieb nur zu bedauern, dass keine Aufzeichnungen auf See zur Verfügung
standen.
Allerdings ist mit dem Jahre 1889 von Seiten der Seewarte eine neue Methode der Prüfungen des
Erfolges von Sturmwarnungen eingeführt worden, welche die Anemometerangaben der Normal-Beobachtungs-
Stationen (4 an der Nordsee, B an der Ostsee) zu Grunde legt. Dieselbe ist u. A. in dem Archiv der
Deutschen Seewarte, XII. Jahrgang, 1889, Seite 37, sowie im Beiheft II zum Monatsbericht der Deutschen
Seewarte, Jahrgang 1889, des Näheren ausgeführt und bezweckt angeblich die Beurtheilung des Erfolges
von Willkürlichkeiten zu befreien. Doch ist die Frage noch offen geblieben, inwieweit diese Methode mit
den in der genannten Instruktion für den Erlass einer Sturmwarnung aufgestellten Prinzipien in Ueberein-
stimmung ist. Zudem wurde aus den Zusammenstellungen der gleichzeitigen Wind-Beobachtungen an den
Signalstellen die Ueberzeugung von einer im Grossen und Ganzen bestehenden und dem vorliegenden Zweck
vollständig genügenden Zuverlässigkeit der Aufzeichnungen gewonnen. Nur sehr vereinzelt zeigte sich, dass
der Erlass einer Sturmwarnung maassgebend für die Notirung der Windstärke war. Diese wenigen Fälle
traten in den Zusammenstellungen so unverkennbar hervor, dass sie ohne Weiteres ausser Betracht gelassen
werden konnten.
Es schien daher kein Grund vorhanden, die hier befolgte Methode der Zusammenfassung eines möglichst
zahlreichen Beobachtungs-Materiales bei der vorliegenden Untersuchung zu Gunsten der neu aufgestellten
Prüfungsmethode aufzugeben, um so weniger, als die Grundlagen für den Erlass einer Sturmwarnung von
Seiten der Seewarte durch letztere bis jetzt keine Aenderung gegen früher erfahren haben.
Zur Ausführung dieser Arbeit bedurfte es sehr umfangreicher Vorarbeiten, bestehend in dem Ausziehen
der Tagebücher der Signalstellen und Normal-Beobachtungs-Stationen für die genannten 10 Jahre. Die
beobachteten Winde, welche die Stärke 6 der Beaufort-Skala erreichten und überschritten, wurden mit
Richtung und Stärke (Stärken 6 und 7 schwarz, 8 und darüber roth) in Monatstabellen eingetragen, deren
Vertikalreihen den Beobachtungsorten entsprachen, während für jeden der täglichen drei Beobachtungs
termine (8 a , 2 P , 8 P ) eine Horizontallinie bestimmt war. Stürmische Winde, welche für andere Zeiten als
die Termine notirt waren, fanden, durch eine Nebenbezeichnung von jenen unterschieden, ebenfalls Aufnahme
in die Tabellen. Auf diese Weise ergab sich für jeden Sturm ein übersichtliches und anschauliches Bild
in Bezug auf vorherrschende Richtung, Stärke und Ausdehnung längs der Deutschen Küste. Diese Zu
sammenstellung in verhältnissmässig kürzerer Zeit auszuführen, ist nur durch geneigtest gewährte mehr
malige Unterstützung möglich geworden, welche von Seiten der Direktion der Seewarte durch Befürwortung
der Bewilligung von Mitteln zur Honorirung von Hülfsarbeiten gewährt wurde.
Ausserdem darf ich die selbstlose Theilnahme nicht unerwähnt lassen, welche mein Kollege Herr
Bardua bethätigt hat. Der grösste Theil der Arbeiten, welche schliesslich zu den Tabellen der Häufigkeit
stürmischer Winde an den einzelnen Stationen (Tabelle I) führten und die Daten für die Sturmrosen der
Tafeln 1 bis 13 gaben, ist von Herrn Bardua ausgeführt, so dass ich für diese mühevolle Arbeit ihm zu
grossem Danke mich verbunden fühle.