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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1891 No. 3 —
Wir haben nunmehr die fortschreitenden Zirkulation-Aenderungen in den ostasiatischen Gewässern
während des Halbjahres verfolgt, und dabei ziemlich alle allgemein wichtigen Gesichtspunkte zu erörtern
Gelegenheit gefunden. Von dem im August erreichten Höhepunkt der jährlichen Entwicklung der Verhält
nisse haben wir nun gewissermaassen absteigend das Zurückgehen der Erscheinungen bis auf den der Dar
stellung zu Grunde gelegten Zustand im Februar kurz zu verfolgen; wir könnsn uns dabei ganz bedeutend
kürzer fassen als im ersten Theil. —
, § 7. September. Oktober.
Zum Verständniss des Folgenden ist in Bezug auf die Winde zu bemerken, dass, während der SW-Monsun
der Chinasee zuerst ganz im Süden auftritt l ) und nach Norden mit der nordwärts schreitenden Sonne sich
ausdehnt, um von der Breite von Shanghai an als SE zu wehen, bei Beginn des Winters die Veränderung
des Windregimes im Norden anfängt und südwärts fortschreitet; so haben wir im nördlichen Theile unseres
Gebietes im September bereits, wenn nicht überwiegend, so doch sehr viele nördliche Winde; in der China
see kommt der NE erst während des Oktober durch.
Es wird nun erklärlich, warum die Zirkulation der Gewässer im September bereits wesentlich anders
ist als im August, obwohl die Lage der Isothermen nach der geographischen Breite noch ziemlich dieselbe ist.
Die Temperatur des Wassers ist, gemäss der grossen Wärme-Kapazität des Wassers, noch eine be
trächtlich hohe, auch im Oktober noch; gleichwohl ist der winterliche Typus der Strömungen schon mannig
fach ausgeprägt.
In der Formosa-Strasse kommen aufNE-Wind im September schon 56% aller Winde, im Oktober
sogar 70%; entsprechend überwiegen ganz bedeutend SW- und W-Versetzungen schon im September die
NE-Versetzungen, die wir im August fanden. Es gilt dies aber nur für den südlichen und mittleren Theil
der Strasse, und auch da nur recht für die westliche Seite desselben. In den übrigen Theilen hat nämlich
der Zweig der Aequatorial-Strömung, welcher an Formosa’s Westküste hinaufgeht, noch zuviel’ Einfluss,
sodass die neue Windtrift nicht ganz zur Geltung gelangen kann.
In der Chinasee aber — südlich von Hongkong — ist kein Hinderniss für eine ganz freie Entwicklung
der Trift des NE-Monsuns; so nimmt hier der im Sommer nördlich setzende Strom mit Eintritt des Winter-
Monsuns sehr schnell ab, er ist schon in der ersten Hälfte des Oktober vollkommen gestoppt und man
findet SW-Strom. 2 )
Im Gelben Meere ist der Kreislauf der Gewässer ebenfalls bereits vollständig umgestaltet: doch
mag dabei wieder bemerkt sein, dass es sich in diesem wie im Japanischen Meere meist um sehr schwache
Versetzungen handelt, die in Bezug auf Kontinuität und Intensität mit denen des offenen Ozeanes gar nicht
zu vergleichen sind.
Soviel ist sicher und auch aus den Isothermen zu entnehmen, dass östlich von 124° L. das Wasser
vorwiegend südlich setzt: also in dem östlichen Theile, und noch nicht, wie im Winter an der Westseite.
Bei Kap Shantung ist Südstrom durch viele Beobachtungen konstatirt und ebenso auf der zwischen 123 V2 0
und 125° sich haltenden Segelroute. Der Verlauf der Isothermen lässt nun eine Wasser-Versetzung dicht
an der chinesischen Küste nach Norden vermuthen und dies wird durch mehrere Schiffs-Journale bestätigt,
z. B. durch das der Bark „Wega“, Mähl, im September 1878 von Amoi nach Niutschwang: das Schiff wurde
nördlich von 30° B. beim Aufkreuzen gegen die nördlichen Winde, als es sich zwischen 122° und 12372° L
hielt, bis über 36° B. hinauf nicht unbeträchtlich von einer nördlich setzenden Strömung unterstützt, bis
zu 17 Sm. im Etmal. (S. S. J. N0. 1154.)
Wir sind hier wiederum durch die Isothermen auf die deutliche Spur eines Neerstromes geführt worden,
der nicht unwichtig für die Segelroute erscheint. Wir denken uns den Verlauf des Wassers so, dass der
Wind, da er im September und Oktober im Gelben Meere noch sehr östlich ist und der kontinentale NW
dagegen zurücktritt, ausser dem Wasser des Golfes von Pe-tshi-li (südliche Strömung bei Kap Shantung)
auch noch die der koreanischen Küste zu gelegenen Gewässer südwärts führt, wodurch eine Richtung der
Versetzungen grade auf den Tsushan-Archipel hin und weiter nach der Formosa-Strasse zu entsteht. Nörd-
>) pag. 25.
2 ) Siehe auch Wagner, Annalen der Hydrographie, 1876, pag. 292.