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Full text: 14, 1891

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1891 No. 3 — 
Krümmel spricht nun im zweiten Bande der Ozeanographie (aus welchem Werk die Gebrauchsweise auch in andere 
Darstellungen übergegangen ist) vom Auftriebwasser an den tropischen Luvküsten, vom Anstauwasser an den tropischen 
Leeküsten. Er hat sich hiermit die von den Seeleuten gebrauchte Bezeichnungsweise angeeignet; aber dieser Standpunkt 
ist, so sehr man sich sonst bedenken soll, an Dergleichen ändern zu wollen, nach unserer vielfach erörterten und befestigten 
Ueberzeugung wissenschaftlich nicht zu gebrauchen. Wir verstehen es sehr wohl, wie der Seemann dazu kommt, die 
Küste, die in Lee von seinem Standpunkt, die nämlich von seinem Schiffe aus in Lee liegt, einfach Leeküste zu nennen; 
korrekt wäre die „leewärts gelegene Küste“ („Leegerwall“). Dass die Seeleute mit dieser subjektiven Benennungsweise 
nicht durchkommen, zeigt z. B. die Art, wie bei Inseln die beiden Küsten hinsichtlich ihrer Lage zum Wind unterschieden 
werden; ein Schiff, das eben westlich von Ascension steht, nennt die Westküste der Insel Leeküste, weil sie im Schutze 
des Passates liegt, obwohl dieselbe auf seiner Luvseite liegt. Hier verlässt der Schiffer plötzlich das sonst gebrauchte 
Prinzip, von seinem Schiffsstandpunkt aus zu urtheilen: warum? weil es ihm sonst nicht möglich wäre, die West- und die 
Ostküste der Insel zu unterscheiden hinsichtlich ihrer Lage zum Wind, denn sie liegen ja beide luvwärts von ihm. 
Man sieht, dass — wir wiederholen es — für den wissenschaftlichen Gebrauch dieser zwei Worte, den wir nicht 
entbehren möchten, der subjektive Standpunkt des Schiffers verlassen werden muss, und objektiv allein die Frage zu stellen 
ist: „wie liegt die betreffende Küste zum Wind?“ Nur so erreicht man auch den Anschluss an die in der Meteoro 
logie längst gefestigte logische Gebrauchsweise der zwei Worte und entgeht nothwendigen Konflikten, denen z. B. Verfasser 
dieses unterlag, wenn er in Peterm. Mittheil. 1889, p. 170, das Problem des Auftriebes und Anstaues betreffend, von Prof. 
Supan las: „an der Leeseite (was natürlich noch unrichtiger ist als Leeküste) sammelt sich also warmes Wasser an,“ 
während er wusste, dass „Lee“ immer die im Windschutz gelegene Seite ist. —- Es ist hier deshalb darauf eingegangen 
worden, weil wir es für nötliig halten, dass diese durch das Krümmel’sche Werk hindurcligehende Art der Bezeichnung 
verlassen werde, um die durchaus nothwendige Einheit herzustellen. Jedenfalls ist es uns unmöglich, etwa die Brasilianische 
Küste, auf welche der SE.-Passat aufsteht, eine Leeküste zu nennen, und wir fürchten nicht, dass die Seeleute uns miss 
verstehen werden, wenn wir solche Küsten künftig Luvküsten nennen. 
Wir sind also schliesslich auch mit Prof. Krümmel der Meinung, dass die chinesische Küste für den NE-Monsnn die 
Luvküste ist,’) ohne dass wir hiermit seine Bezeichnungsweise adoptirten; die Lehereinstimmung in diesem einen Falle 
erklärt sich, wie ohne weiteres einzusehen ist, aus der anderen Anschauung, die wir von den Windverhältnissen an der 
chinesischen Küste haben. 
Selbst wenn man aber mit P. Hoffmann sagt, dass, um den Auftrieb zu ermöglichen, nicht immer ab 
landige Winde nöthig seien, so ist doch unerklärt, warum im Sommer bei SW-Wind, der also zur Küste in 
derselben Richtung wie der NE steht, kaltes Wasser an der HongkoDgküste gänzlich fehlt. Das Ausschlag 
gebende bleibt bei allen anderen Gegengründen der Umstand, dass die Lufttemperatur stets noch niedriger 
als die Wasser-Temperatur ist. 
Wie sehr auch die an der Küste mündenden Flüsse wohl mit beitragen mögen zur Erkaltung der 
Gewässer der Formosastrasse, mag ein Vergleich der in Hongkong-Hafen und in Kanton im Fluss beob 
achteten Wasser-Temperaturen zeigen: 
S. M. Kbt. „Wolf“, Kapt. Lieut. Jäschke, maass Mitte Februar 1887 
in Kanton ... 9.3 9.4 9.7 10.1 10.0 
in Hongkong . 13.9 13.9 14.1 14.7 u. s. w. 
Also noch südlich der Formosastrasse sind die Flusswässer ausserordentlich kalt gegen Ausgang des 
W 7 inters. Es ist hierauf des Näheren eingegangen worden, um gleich für später eine Erklärung der schon 
lang bekannten kalten chinesischen Küstengewässer im Winter durch die Theorie des Auftriebes abzu- 
schueiden, zumal der Vergleich mit der nordamerikanischen Ostküste sehr nahe liegt, doch sind an letzterer 
Küste die Winde, diese wichtigsten Regulatoren aller Bewegungen im Ozean, wirklich ablandig. Es ist 
nicht bloss möglich, sondern sicher, dass „der entlang der Ostküste Chinas nach Süd setzende und 
aus kaltem und leichtem Wasser bestehende Strom durch die hier im Winter nach W gehende Küsten- 
Strömung weiter geführt wird, sodass durch den Oberiläehenstrom allein so kaltes Wasser bei Hong 
kong anlangen kann, ohne durch Tiefenwasser von unten her weiter abgekühlt zu sein.“ * 2 ) Auch ist 
die Zone kalten Wassers, nicht wie Krümmel nach dem englischen Atlas angiebt, ganz schmal entlang 
der Küste, sondern sie erstreckt sich quer nach NO durch die ganze Strasse. Die mittlere Lage der 
östlichen Grenze des kalten Wassers mag auf einer Linie liegen, welche Hongkong mit Tamsui auf Formosa 
verbindet. 
Dass ferner auf der Breite von Swatau ungefähr die Gegensätze ihren grössten Betrag erreichen, liegt 
daran, dass hier der Zusammenstoss mit der von SO herankommenden aequatorialen warmen Strömung 
’) Handbuch der Ozeanographie n, p. 318. 
2 ) Krümmel, Handbuch der Ozeanographie II, p. 317.
	        
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